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Der Markt
unter der Lupe

 
29.09.2017

Hat Jamaika mehr Lust auf Wirtschaft?

Das ifo Geschäftsklima hat sich im September das zweite Mal in Folge verringert. Zeigt die deutsche Konjunktur etwa Ermüdungserscheinungen? Eine neue deutsche Regierung hätte die Möglichkeit, mit Strukturreformen Wachstumstreiber zu sein. Allerdings würden langatmige und von Streitsucht geprägte Koalitionsverhandlungen im bislang politisch hochstabilen Deutschland zu einem (wirtschafts-)politischen Belastungsfaktor werden. Die immer noch vorhandenen europäischen Probleme verlangen nach politischer Stabilität im wichtigsten Euro-Land. Unterdessen ist der sich abschwächende Euro ein Stimmungsaufheller für deutsche Exportwerte.

Der ifo Geschäftsklimaindex hat bereits den zweiten Monat in Folge nachgegeben. Sicherlich befindet er sich auf anhaltend hohem Niveau. Und weiterhin befindet sich die deutsche Industrie stimmungsseitig in der Konjunkturphase „Boom“, wenn man ifo Geschäftslage und -erwartungen zueinander in Beziehung setzt. Während sich auf Einzelindexebene die rund 7.000 befragten Unternehmen mit ihrer aktuellen Geschäftslage weniger zufrieden zeigen, geben auch die Geschäftserwartungen - wenn auch nur leicht - nach.

Das deutsche Wirtschaftswachstum ist enttäuschend

Auf Sektorenebene profitiert das Baugewerbe weiter von den günstigen Kreditkonditionen, so dass sich das Klima auf einen Rekordwert verbessert. Dagegen hat die Zuversicht im Verarbeitenden Gewerbe - die deutsche Schlüsselindustrie - einen Dämpfer erhalten. Besonders stark hat sich die Stimmung im deutschen Handel eingetrübt. Insbesondere der Kfz-Einzelhandel sieht sich aufgrund der Diesel-Probleme von Sorgen geplagt. Mit Blick auf den aktuell nur geringfügig unter dem Allzeithoch liegenden GfK Konsumklimaindex ist aber nicht von einer nachhaltigen Eintrübung im Handel auszugehen. Insgesamt jedoch wachsen die deutschen Konjunkturbäume nicht in den Himmel. Überhaupt sollte das deutsche Wirtschaftswachstum von ca. zwei Prozent 2017 und 2018 nicht übertrieben positiv eingeschätzt werden. Im historischen Vergleich und angesichts der günstigen Kreditzinsen sind diese Zuwächse enttäuschend.

Vor diesem Hintergrund nachgebender ifo Geschäftserwartungen könnte es mit zeitlicher Verzögerung von sechs Monaten auch zu einem weniger dynamischen Wachstum deutscher Unternehmensgewinne und damit ebenso zu weniger fundamentalem Rückenwind für deutsche Aktien kommen.

Neue Besen kehren gut, aber sie müssen auch benutzt werden

Leider kann man der noch amtierenden Bundesregierung in puncto Verbesserung der Standortfaktoren kein gutes Zeugnis ausstellen. Theoretisch hätte eine Jamaika-Koalition durchaus das Zeug für Reformen. Bei Bildung, Digitalisierung und Einwanderungsgesetzen sind notwendige Einsichten durchaus vorhanden. Allerdings geht es nicht nur um ein bisschen Reformkosmetik. In einer global konkurrenzfähigen Industriewelt geht es mindestens um Runderneuerung. Insbesondere in Asien und in den USA werden Digitalisierung, Deregulierung und Modernisierung der Infrastruktur nicht in Sonntagsreden als dringend geboten beschrieben, sondern bereits beherzt umgesetzt. Mit dem von Bord gehenden eisernen „Spar-Lotsen“ Schäuble böte sich die Gelegenheit, die bisherigen Investitionslücken auch mit Blick auf das anhaltend günstige Zinsumfeld und gute Steuereinnahmen zu schließen.

Während die FDP - die wohl lieber den Finanz- als den Außenminister stellen würde - hier viel Druck aufbauen dürfte, werden sich die anderen Koalitionsparteien weniger beweglich zeigen. Eine wirtschaftsfreundliche Politik käme vor allem dem inlandsorientierten deutschen Mittelstand und seinen börsennotierten Aktien zugute.

Doch selbst wenn es am Ende zum Experiment einer Jamaika-Koalition unter Beteiligung von CDU/CSU, FDP und Grünen kommen sollte, ist der Weg dorthin aufgrund der profunden Gegensätze der potenziellen Koalitionäre ein schmerzhafter. Zum Wirtschafts-Wohl Deutschlands ist zu hoffen, dass sich die politischen Mühen lohen werden.

Europa soll sich bewegen, aber in welche Richtung will die neue Regierung schieben?

Ohne Zweifel hat der französische Staatspräsident Macron Recht, wenn er in seiner kürzlich gehaltenen Europa-Rede ein verstärkt integriertes Europa als geopolitisches Gegengewicht gegenüber den USA und China aufbauen will. Doch die Zeit der reinen europäischen Gemeinschaftsschwüre muss aufhören. Es muss konkret werden. Um wirtschaftspolitisch zukunfts- und politisch einheitsfähig zu sein, kommt Europa an scharfen Strukturreformen definitiv nicht vorbei. Ein dagegen von Frankreich immer wieder gern gefordertes, gemeinsames EU-Budget, um ökonomische Schocks abzuwehren, dient vielleicht der deutsch-französischen Schulden-Freundschaft. Doch damit bewegt sich Europa als global wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort nicht nach vorne. Das keynesianische Zeitalter ist abgelaufen. Ohnehin dürften sich Spanien und Portugal fragen, warum sie in den vergangenen Jahren schmerzliche volkswirtschaftliche Anpassungsprozesse vorgenommen haben, wenn anderen Ländern über den einfacheren gemeinschaftlichen Schuldenweg ähnliche Rosskuren erspart bleiben. Die große Kritik der FDP gegenüber einer finanzpolitischen Integration Europas à la manière française und stattdessen die Begünstigung eines reformfreudigen Europas würde die Außenpolitik einer Jamaika-Koalition deutlich erschweren.

Schwächelt der Euro, freut sich der deutsche Export

Vor dem Hintergrund dieser sich abzeichnenden Konflikte hat sich der Euro bereits abgeschwächt. Immerhin ist er damit ein Impulsgeber für exportsensitive deutsche Aktien.

Zuletzt kamen Euro schwächende bzw. US-Dollar stärkende Signale zudem aus den USA. Zunächst wird die Fed eine absolut zwar wenig Angst einflößende, aber im relativen Vergleich zur EZB dennoch weniger freizügige Geldpolitik betreiben.

Daneben hat Präsident Trump endlich seine lange versprochene Steuerreform skizziert. So sieht er u.a. eine Senkung des Unternehmenssteuersatzes von 35 auf 20 Prozent vor. Amerikas Wirtschaftsstandort würde definitiv an Attraktivität gewinnen. Nicht zuletzt würde damit ein Beitrag für die Weltkonjunktur geleistet. So haben bereits die deutschen Exportwerte auf diese frohe Steuer-Botschaft positiv reagiert. Die fundamentale Freude ist sogar noch größer, da zunehmende Investitionen in die USA den US-Dollar gegenüber dem Euro stärken würden. Tatsächlich haben sich am Devisen-Terminmarkt die spekulativen Netto-Euro-Long-Positionen zuletzt deutlich zurückgebildet.

Die politische Umsetzung wird allerdings extrem schwer. Selbst die republikanische Partei des Präsidenten sieht die mit diesen Steuersenkungen verbundene Staatsneuverschuldung in Höhe von ungefähr zwei Bill. US-Dollar über die nächsten zwei Jahre sehr kritisch.

Treibt der steigende Ölpreis der Geldpolitik Inflationssorgen ins Gesicht?

Nähert sich die Opec etwa ihrem Ziel, die Ölpreise nachhaltig zu stabilisieren? Der Brent-Ölpreis hat zwischenzeitlich ein Zwei-Jahreshoch erreicht. Scheinbar setzen die Opec-Staaten und ihre Nicht-Opec-Partner ihre Förderkürzungen um. Bei näherer Betrachtung rührt der Preissteigerungsdruck aber eher von der Drohung der türkischen Regierung her, nach dem Unabhängigkeitsreferendum im kurdischen Teil des Iraks - diese Region verfügt über größere Ölreserven als Nigeria - keine Rohöllieferungen mehr über ihr Territorium als Haupttransitland fließen zu lassen. Dies erhöht die Spekulation auf einen weiteren Abbau der weltweiten Ölvorräte und sogar einer kurzfristig globalen Unterversorgung. Momentan haben Finanzanleger ihre Netto-Long-Positionen bei Brent bis nur knapp unter das Rekordpreisniveau von Februar ausgeweitet.

Allerdings ist der Ölmarkt laut Internationaler Energieagentur IEA im zweiten Halbjahr 2017 ausgeglichen. Und ohne eine weitere Verlängerung der Produktionskürzungen der Opec bei der nächsten Sitzung im November 2017 über März 2018 hinaus, kommt auf den Ölmarkt ein erneutes Überangebot zu. Auch aufgrund der aktuell lukrativen Alternativölförderung über Fracking ist keine nachhaltige Fortsetzung der Ölpreisrallye mit steigender Inflation zu erwarten, auf die die Geldpolitik restriktiv reagieren müsste.

Marktstimmung & Charttechnik DAX - Auf dem Weg nach oben

Unsicherheitsfaktoren wie Nordkorea, Trump oder die deutsche Regierungsfindung stellen zwar mögliche politische Handicaps dar, die durchaus zu volatileren Aktienmärkten führen können. Gemessen am aktuellen Schwankungsniveau wäre gemäß VDAX-Volatilitätsindex für die nächsten 30 Handelstage mit einer Schwankungsbreite im DAX zwischen etwa 12.223 und 13.091 Punkten zu rechnen. Panik oder Crashgefahr sehen völlig anders aus.

Aus charttechnischer Sicht verläuft im DAX auf dem Weg nach oben der erste wichtige Widerstand bei aktuell 12.762 Punkten. Wird dieser überschritten, tritt darüber die Marke bei 12.783 in den Vordergrund. Schließlich nimmt der Index Kurs auf die Marke bei 12.832 und das Allzeit-Hoch bei 12.952 Punkten. Tritt der DAX allerdings wieder den Weg nach unten an, verlaufen erste Unterstützungen bei 12.660 und 12.614 sowie darunter bei 12.532. Werden diese unterschritten, verlaufen knapp darunter die nächsten Haltelinien bei 12.511 und 12.483 Punkten.

Der Wochenausblick für die KW 40 - Was steht im Protokoll der letzten EZB-Sitzung?

In den USA signalisiert der leichte Rückgang der ISM Indices für das Verarbeitende Gewerbe sowie im Dienstleistungssektor keinen reibungslosen Konjunkturverlauf. Auch die Auftragseingänge in der Industrie dürften lustlos ausfallen. Während Daten zum US-Stellenaufbau einen quantitativen Erholungstrend zeigen, zieht das blutleere Wachstum der Durchschnittslöhne dessen Qualität in Zweifel.

In der Eurozone wird das Protokoll der letzten geldpolitischen Sitzung der EZB gründlich auf Hinweise zu einem genauen Termin in puncto Verringerung ihrer monatlichen Anleiheaufkäufe durchleuchtet. In Deutschland dürften sich die Auftragseingänge in der Industrie nach ihrer vormonatlichen Schwäche wieder stabilisieren.

In Japan unterstreicht der von der Bank of Japan veröffentlichte Tankan Index der japanischen Großindustrie für das III. Quartal die verbesserte Konjunktursituation, die jedoch ihren lockeren geldpolitischen Kurs nicht in Frage stellt.