Nach der Immobilienkrise 2008 griffen die Staaten weltweit mit bis dato unvorstellbarer Neuverschuldung ein, um wirtschaftliche Depressionen, Massenarbeitslosigkeit und schließlich soziale und politische Unruhen zu verhindern. Die damit eigentlich unausweichliche Schuldenkrise vereitelten die Notenbanken durch Zinssenkungen und Liquiditätsflutungen, die mit regelgebundener Geldpolitik nichts mehr zu tun hatten. Diese unkonventionellen Rettungsaktionen wurden von der Politik als Ausnahmesituation bezeichnet. Schließlich ging es um den Systemerhalt. Wenn ein Kind in den Brunnen gefallen ist, muss es ja auch so schnell wie möglich herausgeholt werden, egal wie und was es kostet.
Damals jedoch hatte Vater Staat Blut geleckt. Wie eine fürsorgliche Mutterglucke meinte er, die schutzbefohlenen Küken von nun an vor allen ökonomischen Problemen beschützen zu müssen. Bei dieser Bevormundung biegt man auch heute Stabilitätsregeln gerne in die politisch gewünschte Richtung. So werden den Defizitverstößen in Italien und Frankreich in diesem Jahr wieder keine Strafmaßnahmen folgen. Die Eurosklerose soll nicht weiter gedüngt werden. Damit ist der Schlendrian in der Eurozone hoffähig geworden. Denn es entfällt ja ebenso der finanzpolitische Zwang, über Reformen die Wettbewerbs- und später über Wirtschaftswachstum die Schuldentragfähigkeit zu verbessern. In diesem Spiel hat die EZB die Rolle des Erfüllungsgehilfen, der bis in alle Ewigkeit zu zinsgünstiger Schuldenfinanzierung verdammt ist.
Diese Geldpolitik hat allerdings das traditionelle Zinsgeschäft der Banken torpediert und versenkt. Und dann kam auch noch die Überregulierung der deutschen Finanzindustrie hinzu, nachdem man früher nicht deregulierend genug sein konnte. Jetzt stellt Berlin plötzlich fest, dass die kaputtregulierten Institute leichte Beute für Großbanken aus Amerika, China oder dem arabischen Raum werden könnten, die anschließend den deutschen Finanzplatz für ihre Zwecke missbrauchen. Zur Abhilfe wünscht sich das Finanzministerium einen nationalen Champion, der aus einer Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank hervorgeht. Wenn man aber mindestens zwei Jahre nicht mit Zukunftsstrategie, sondern vor allem mit Auseinandersetzungen beschäftigt ist, wird das dem Aktienkurs nicht guttun. Am Ende besteht die Gefahr, dass ein ausländischer Käufer die zwei im Paket zum Schnäppchenpreis bekommt. Ähnlich wie bei Hoechst und Mannesmann würde man erneut deutsche Wirtschaftskompetenz wie einen alten Mantel einfach so in die Kleidersammlung geben.
Deutschland hat das Industriezeitalter seit dem II. Weltkrieg wie keine andere Nation beherrscht. Doch jetzt droht die Revolution von Amerika und China. Mit massiven Zukunftsinvestitionen, Innovationen und auch „America First“ will man uns vom Thron stürzen.
Und wie sieht die deutsche Verteidigung aus? In unserer Vorzeigebranche Automobile wurde die führende deutsche Dieseltechnologie politisch kaputtgeredet, anstatt sie konsequent - auch ökologisch - weiterzuentwickeln. Bei der E-Mobilität laufen wir der Konkurrenz hinterher. Warum versucht man in einer nationalen Kraftanstrengung nicht alles, um der weltweit führende Batteriebauer zu werden? Wer die Batterie als Hauptbestandteil des E-Autos beherrscht, wird später den Automassenmarkt beherrschen. Schöne Grüße nach Wolfsburg! Und warum gibt man nicht Vollgas bei der Brennstoffzelle? Warum überlässt man diese Mobilitätsperspektive Toyota, bei denen nichts unmöglich ist?
Überhaupt, wenn man sich in Berlin für E-Mobilität entschieden hat, muss man ebenso für ordentliche Rahmenbedingungen sorgen. Doch hat Deutschland den höchsten Strompreis aller Industrienationen. Was ist mit jederzeitiger Stromverfügbarkeit? Wenn ökomoraltotalitäre Politiker Kohlekraftwerke am liebsten morgen abschalten wollen, müssen Alternativen her. Trassen, die Strom von der Nordsee in die Industriezentren bringen sollen, scheinen aber das Schicksal von Stuttgart 21 oder dem Berliner Großflughafen zu teilen: Es dauert eine Generation.
Möglichst flächendeckende Netze sind heute immer mehr Standard. Um jedoch zukünftig als Standort wirklich attraktiv zu sein, wird das 5G-Netz immer wichtiger, das die Potenziale der Digitalisierung erst nutzbar macht. Doch scheint es Funkloch-Deutschland mit der Netzausrüstung wenig eilig zu haben. Infrastruktur scheint ohnehin nicht die oberste Priorität in Berlin zu genießen, s. Flugbereitschaft.
Bildung ist ein besonders wichtiger Punkt der Wettbewerbsfähigkeit. Doch während in Deutschland die Schule geschwänzt wird, finden in Indien, Südkorea oder China Mathe- oder Englischolympiaden statt. Für Klimaschutz zu demonstrieren ist lobenswert. Aber ist es nicht mehr zumutbar, dass in der Freizeit oder am Wochenende zu tun? So mag man in den Klima-Himmel kommen, man wird aber kein Globalisierungsgewinner. Ohnehin, vergleicht man die deutsche Schulausstattung mit der in Asien oder auch dem Baltikum, trifft Mittelalter auf Neuzeit.
Besteuerung? Mittlerweile liegen amerikanische Steuersätze 15 Prozentpunkte unterhalb von denen in Deutschland. Werden also bald deutsche Autobauer ihre in Deutschland zu verkaufenden Autos in den USA produzieren? 2019 wird die Steuer- und Abgabenbelastung der Bürger einen neuen Rekordstand erreichen. Der Staat ist verfressener als jedes Raubtier. Berlin sieht keine Notwendigkeit für eine Diät.
Auch der Datenschutz und Dinge wie Uploadfilter werden immer mehr zum ideologischen Selbstzweck, der Kreativität in Europa zugunsten von Amerika und Asien behindert.
Übrigens, die in Deutschland losgetretene Diskussion über Enteignung oder Vergesellschaftung wirken auf internationale Investoren wie Mückenspray auf Ungeziefer.
In einer globalen und digitalisierten Welt sind Investoren nicht auf den deutschen Standort angewiesen. Und wenn sich deutsche Politik weiter nur der überkorrekten und hypermoralischen Bevormundung verschreibt, wird auch die deutsche Industrie, die sicher nicht schlechter geworden ist, immer mehr dorthin gehen, wo sie ihre Innovationskraft am besten auf die Straße bringt. Und dann nehmen sie die Arbeitsplätze gleich mit.
Jetzt einfach zu behaupten, die fetten Jahre seien vorbei, ist zu fatalistisch. Berlin muss Verantwortung zeigen. Es muss wissen, was es tut, wie es das tut und was es nicht tut. Das unterscheiden zu können, macht gute Wirtschaftspolitik aus.