Der Mai gilt als Monat mit schlechter Börsenstimmung. Oder hatten wir einen vorgezogenen Mai-Effekt durch Trump bereits im April? Ist das Schlimmste also vorbei, weil auch der US-Präsident nicht an wirtschaftlichen Realitäten vorbeikommt? Oder ist der nächste Kurseinbruch wieder nur einen Tweet vom „Papst“ entfernt? Europa und Deutschland stellen dagegen eine fröhliche Sorgenpause für Aktienanleger dar. Möge Berlin diesen Schwung durch gute (Wirtschafts-)Politik weiter dynamisieren.
Die Kursverluste seit „Liberation Day“ haben die Börsen wieder wettgemacht. Tatsächlich hat selbst Trump in der Zolldiskussion abgerüstet. Man spricht handelspolitisch miteinander und natürlich haben die Exportnationen in Europa, Kanada und Japan ein Interesse an Konfliktlösungen.
Trotz beiderseitig harter Rhetorik ist selbst der Gesprächsfaden zwischen Washington und Peking nicht abgerissen. China hat kein Interesse an einem harten Handelskrieg. Seine Wirtschaft leidet bereits an schwachem Konsum und Überproduktion und braucht einen weiter deflationär wirkenden Einbruch im Außenhandel so wenig wie Bauchschmerzen. Und Trump hat sich wohl vor Augen führen lassen, dass der Wohlstand Amerikas stark auf billigen Importen aus Asien basiert.
Ohnehin sägt Trump am Ast, auf dem die US-Wirtschaft sitzt. Für eine Rezession scheint im Moment wenig zu sprechen. So zeigte sich der Arbeitsmarkt stabil. Doch läuft dieser der Konjunktur hinterher. Erst in den nächsten Monaten zeigt sich ein genaues Lagebild der Trumpschen Zollpolitik. Allerdings zeigen Umfragen bereits Angst vor Jobverlust und rückläufige Neueinstellungen bei Unternehmen. Auch die Quartalszahlen für Q1 2025 lassen keine Dramatik erkennen, da deren Umsätze und Gewinne vor dem sogenannten „Liberation Day“ erzielt wurden. Doch es ist die Ruhe vor dem Sturm.
Druck auf Trump kommt selbst von einem Land, das bislang nicht für harte Töne gegenüber den USA bekannt ist. Jedoch sagt Japan jetzt offen heraus, dass es seine 1,1 Bill. US-Dollar Staatsanleihen als Verhandlungsmasse in Handelsfragen nutzen will. Theoretisch könnte man US-Staatsanleihen verkaufen, um damit einen Aufwärtsdruck auf amerikanische Kreditzinsen zu erzielen.
Tatsächlich ist die Bedienung der US-Staatsschulden mittlerweile teurer als die Militärausgaben. Höhere Zinsen bei der Refinanzierung der Altschulden und bei noch höherer Neuverschuldung verträgt Amerika nicht, zumal die Musk’schen Einsparungen nur Tröpfchen auf den heißen Stein sind.
Es sei an das politische Schicksal der ehemaligen britischen Premierministerin Liz Truss erinnert, die wie der US-Präsident umfangreiche Wirtschaftsmaßnahmen umsetzen wollte, aber Probleme mit der Gegenfinanzierung bekam. Und wenn sogar der größte und bedeutendste Anleihemarkt in Unruhe gerät, ist Finanz-Amerika und seine Weltleitwährung in seinen Grundfesten erschüttert und blamiert.
Trump mag zwar Gefallen an einem schwachen Dollar finden, um amerikanische Exporte zu stimulieren. Doch widersprechen zum einen Gegenzölle diesem Ansinnen. Und zum anderen, welcher Investor freut sich über Zinszahlungen, die in Dollar immer weniger wert sind? Weltleitwährung und Dollar-Schwäche passen zusammen wie New York ohne Freiheitsstatue.
Angesichts dieser unheilvollen Szenarien scheint Wall Street mitunter eine gewisse Einsicht bei Trump zu vermuten. Sie hoffen, dass der Kelch der Rezession an der US-Wirtschaft durch zumindest eine Reduzierung der Zölle vorbeigehen wird. Das könnte auch die Fed dazu bewegen, ihren Zinssenkungskurs mit Blick auf wieder nachgebende Inflationserwartungen erneut aufzunehmen.
Nicht zuletzt würden dann auch wieder Themen wie Steuersenkungen und Deregulierung an Bedeutung gewinnen, die bislang von der Zolldiskussion verdrängt wurden. Am Aktienmarkt lässt sich tatsächlich ein umgekehrter Zusammenhang zwischen Regulierung und Bewertung erkennen. Streng regulierte Branchen werden weniger hoch bewertet als weniger regulierte Sektoren.
Eigentlich könnte vieles wieder gut werden.
Doch sind die ultrahohen Zölle nur für 90 Tage ausgesetzt. Und wenn bis dahin keine Lösungen im Handelsstreit gefunden sind? Selbst eine Halbierung aller Zölle würde einen immensen Schaden für die Welt- und US-Wirtschaft bedeuten. Aber lässt es Trumps Ego zu, zolltechnisch wieder auf vor Liberation Day zurückzugehen?
Prinzipiell ist der Zollkrieg ein laufender Prozess, der unterschiedliche Verläufe nehmen kann. Vorerst bleibt die Unruhe am US-Aktienmarkt bestehen. Das Kapitel ist nicht abgehakt.
In der Tat spielt der US-Präsident weiter den kalten Donald. Trump braucht die große Bühne jeden Tag. Er schafft es nicht, einfach mal für vier Wochen nur seinen Amtsgeschäften ohne mediale Festbeleuchtung nachzugehen. Jedoch brächte genau dies Ruhe in den wackeligen US-Aktien-Karton. Es ist wie bei der Hundeerziehung. Das gute Tier braucht klare, unmissverständliche Ansagen: Sitz, Platz, Pfui, Aus. Ansonsten ist er verwirrt und verhält sich irrational.
Doch schon wieder fordert Trump den Fed-Chef mit klaren Worten auf, die Leitzinsen zu senken. Das hält die Unsicherheit über die Unabhängigkeit der Fed aufrecht, selbst wenn Trump keinen Rücktritt von Powell mehr fordert, dessen Amtszeit ohnehin im Frühjahr 2026 beendet ist.
Zuletzt kündigte er an, einen 100-Prozent-Zoll auf alle im Ausland produzierten Filme zu verhängen. Ebenso sind Zölle auf pharmazeutische Produkte geplant. Die Katze lässt das mausen nicht.
Insgesamt kann jede kalte Äußerung ex cathedra vom „Papst“ die US-Märkte in Unruhe bringen. Man muss im Mai nicht verkaufen, aber mit dem Kaufen vorsichtig sein. Regelmäßiges Aktiensparen und das Nachkaufen von schwächelnden Aktien mit solidem Geschäftsmodell sind die „Maiblümchen“-Strategie 2025 für den amerikanischen Aktienmarkt.
Europa und vor allem Deutschland konnten sich zuletzt als „sicherer Hafen“ gegenüber Amerika zeigen. Tatsächlich könnte das neue Kabinett unter Friedrich Merz positive Effekte auf Wirtschaft und Börse haben. Mindestens relativ, denn in den letzten 15 Jahren wurde Deutschland nicht marktwirtschaftlich verwöhnt, sondern eher ideologisch verhöhnt.
Der Start war aber mehr als holprig. Deutschland hat in den politischen Abgrund geschaut. Dass Merz nach einer Kungelei in puncto Geschäftsordnung erst im zweiten Wahlgang zum Kanzler gewählt wurde, zeigt, dass die neue Koalition wahrlich keine Liebesbeziehung ist. Da die innen- und außenpolitischen Umstände aber äußerst schwierig sind und die politische Mitte offensichtlich immer schwächer wird, muss man sich zusammenraufen und die jahrelang liegengebliebenen Probleme endlich anpacken. Verweigerungstaktiken und Parteipolitik stärken nur die Ränder.
Zum Glück finden sich wirkliche Fachleute in der Ministerriege und haben es einige „Koryphäen“ nicht an den Kabinettstisch geschafft. So könnte die Digital-, Energie- und Industriewirtschaft von mehr Mut, mehr Pragmatismus, mehr Planungssicherheit und damit mehr Vertrauen profitieren.
Die fundamentalen Voraussetzungen für stabile Kurse sind gegeben, zumal Unterstützung von der EZB kommt. Sie kann Zinsen viel freier senken als die Fed, da die Inflation in Europa milder aussieht.
Allerdings sind fromme Sprüche und wohlklingende Vorhaben nicht ausreichend. Den marktwirtschaftlichen Machern in der Regierung muss viel Beinfreiheit gegeben werden.
Hierzu passt ein Zitat von Fußball-Ikone Lukas Podolski: „Wichtig is‘ auf‘m Platz.“ Es geht um die Umsetzung auf dem politischen Spielfeld. Dann braucht man um den deutschen Aktienmarkt keine Angst zu haben.