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Halvers
Kolumne

 
13.05.2025

„Man muss dem lieben Gott auch für die kleinen Kartoffeln dankbar sein“

pflegte meine Mutter zu sagen, wenn sich Dinge nicht optimal entwickelten. Auch die aktuellen Entspannungen im Zollkonflikt haben wenig mit den ganz großen Kartoffeln zu tun. Aber die kleinen scheinen den Börsen bereits gut zu schmecken.

Im Zoll-Streit zwischen den USA und China hat die Kraft des Faktischen zugeschlagen

Die neutrale Schweiz bietet von jeher einen guten Nährboden für Krisenentspannungen, offensichtlich auch im chinesisch-amerikanischen Handelskonflikt. Ab 14. Mai und für 90 Tage senkt China seine Importzölle für US-Güter von 125 auf 10 Prozent und die USA ihre gegenüber China von 145 auf 30 Prozent. Zunächst sind das bemerkenswerte Ergebnisse für Erzrivalen, die sich bislang hart angingen. Um auch längerfristig Eskalationen bis zu Handelsembargos auszuschließen, sollen Meinungsverschiedenheiten durch regelmäßige Stuhlkreise gelöst werden.

Man musste übereinkommen. China braucht angesichts einer bereits schlechten Binnenkonjunktur nicht noch mehr Deflationsdruck aus dem Außenhandel. Und Trump hat sich wohl daran erinnert, dass das wirtschaftliche Wohlergehen Amerikas in hohem Maße auf Globalisierung und billigen Importen aus Asien beruht. China produziert und Amerika konsumiert. Ebenso hat er festgestellt, dass große US-Tech-Unternehmen große China-Aktivitäten haben. Deren Aktien wurden daher von den Kursverwerfungen besonders stark geschädigt. Dieser Verkaufsdruck wird jetzt spürbar gemildert.

An den Börsen ist die Freude groß. Der US-Dollar gewinnt wieder an Vertrauen. Und die Aktienmärkte steigen fundamental, da der transpazifische Handel, der Welthandel insgesamt und seine Lieferketten revitalisiert werden. Auch das Gespenst einer (Welt-)Rezession spukt weniger umher. Das erklärt auch die steigenden Notierungen bei Rohstoffen, z.B. Öl. Zur positiven Marktstimmung trägt nicht zuletzt bei, dass Zollentspannungen auch zu entspannteren Inflationserwartungen führen können, was der Fed Zinssenkungsspielraum gibt.

Und da Finanzmärkte immer über den Tellerrand hinausschauen, gehen sie davon aus, dass es auch Entspannungen in anderen Zollauseinandersetzungen gibt, z.B. zwischen Amerika und der EU.

Werden aus den kleinen später dicke Kartoffeln?

Jetzt werden China und Amerika also drei Monate verhandeln, um dicke Bretter zu bohren. Amerika will u.a. an die unfairen Handelsbarrieren der Chinesen ran. China soll FKK betreiben, damit Amerika dort ungehinderten Marktzugang hat. Dies ist eine Herkules-Aufgabe. Sicherlich könnte man die Phase verringerter Zölle verlängern. Doch auch bei kräftig reduzierten Strafzöllen auf 30 Prozent ist der amerikanische Absatzmarkt für viele chinesische Exporteure nicht besonders attraktiv. Analysen zeigen, dass die Gewinnspannen bei Massenexportgütern wie Computerzubehör, Handys, Spielzeug und Kleidung um ca. 30 Prozent liegen.

Grundsätzlich bleibt die Zollunsicherheit bestehen. Die kurze Aussetzung der Mega-Zölle für drei Monate ist für Import- oder Exportunternehmen ohne Bedeutung. Niemand weiß, wie die Zolllandschaft anschließend aussieht. Insgesamt brauchen Unternehmen ein langfristiges nachhaltiges Leitplankensystem, um verlässlich planen und Preise kalkulieren zu können.

Auch was andere Zollkonflikte angeht, kann von echtem Durchbruch noch keine Rede sein. Die mit viel Schmackes betriebene Verkündigung eines Handelsabkommens mit Großbritannien ist bei näherer Betrachtung noch sehr lückenhaft und wird - wenn das endgültige Abkommen vorliegt - definitiv handelsrestriktiver sein als vor Zolleinführung.

Und wenn schon der Casus Großbritannien kein Selbstläufer ist, obwohl das Land keinen Handelsüberschuss gegenüber den USA hat, wie schwierig wird es dann erst werden, wenn es in Verhandlungen mit Ländern geht, die hohe Überschüsse aufweisen, z.B. mit der EU?

Immerhin werden nirgendwo Brachial-Zölle eingeführt. Doch auch bei geringeren Zollsätzen kann Trump argumentieren, er habe die zunächst erhobenen Zollsätze sowieso nicht als durchsetzbar betrachtet, jedoch als Druckmittel benutzt, um die von ihm insgeheim beabsichtigten Zölle zu erreichen. Und wenn China tatsächlich seine Handelsbeschränkungen gegenüber den USA lockert, wird Trump sich selbst für den Wirtschaftsnobelpreis vorschlagen.

Die Zoll-Kartoffeln werden nicht so heiß gegessen, wie sie gekocht wurden

Aber wie dramatisch würden Zollerhöhungen auf die deutsche Wirtschaft und unsere Aktienmärkte wirken? Nach Berechnung von Volkswirten würden die für unser Land im Status Quo geplanten US-Importzölle die Wirtschaftsleistung um 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte schmälern. Das schmerzt und könnte die allgemein schwächelnde Wirtschaft durchaus in eine Rezession treiben. Aber wie gesagt, ist nicht mit der Einführung von Horrorzöllen zu rechnen. Daneben werden die Unternehmen versuchen, einen Teil der Zollbelastung durch Preiserhöhungen zu kompensieren und ihre Standortpolitik zollbedingt ebenso weiter optimieren. Nicht zuletzt ist es an der neuen Bundesregierung, das deutsche Wachstumspflänzchen ordentlich zu düngen und zu wässern, um Trump etwas entgegenzusetzen. „Viel Feind, viel Ehr.“

Insofern sollte die (ermäßigte) Zollbelastung vor allem für die Börsen nicht nur absolut, sondern relativiert, ohne Panik betrachtet werden, selbst wenn die Volatilität hoch bleibt.

So oder so, das Schlimmste an den Märkten ist vorbei. Genießen wir die kleinen Kartoffeln. Schon diese schmecken gut.