Halvers
Kolumne

 
04.06.2025

Wo Amerika Lücken hinterlässt, sollte Deutschland den „Lückenbüßer“ spielen

Aufgrund seines außergewöhnlichen Geschäftsmodells wurde bislang die Hälfte des weltweiten Kapitals in Amerika angelegt. Doch wenn der US-Präsident nicht bald wieder von politischer Ir- auf Rationalität schaltet, sind diese glücklichen Zeiten endlich. Immerhin, Amerikas Risiko ist die Chance für Deutschland.

Die USA sind mehr ohn- als allmächtig

Mit seinen harten Aktionen will Trump massiven Druck auf seine Handels-„Gegner“ ausüben, sie gefügig machen, damit Amerika für sich die besten Deals erzielt. Doch hat der US-Präsident die Nebenwirkungen nicht ausreichend bedacht.  

Amerikas starke wirtschaftliche Stellung beruht auf dem US-Dollar als Weltleitwährung und der Digital- sowie Finanzbranche. Doch zeigen China, die EU oder Japan den USA in puncto Industrie längst die lange Nase. Für einen Trendwechsel fehlen Amerika die Infrastruktur, das Know-How, die Arbeitskräfte und die Rohstoffe und Vorprodukte, deren Ausfuhren nach Amerika sich ab einer bestimmten Zollhöhe für Exporteure gar nicht mehr rechnet. China hat ohnehin die Hand auf vielen Rohstoffen.  

Selbst in seinen Paradedisziplinen ist Amerika von der ungeliebten Globalisierung abhängig. Auch US-High-Tech-Unternehmen lassen in Asien günstig produzieren. Und die großen social media-Konzerne holen sich im Ausland bei einem harten Wirtschaftskrieg eine blutige Schnauze über Regulierung und Strafzölle.

Ja, der Status der Weltleitwährung macht die US-Finanzbranche stark. Der Dollar wankt jedoch, weil das Vertrauen in die amerikanische Finanzstabilität sinkt. Ausländische Anleger verlangen bei Käufen von US-Bonds mittlerweile Risikoaufschläge. Mit Blick auf noch mehr Schulden - Musk bezeichnet Trumps Steuerpaket als widerliche Abscheulichkeit - ist Zins-Besserung nicht in Sicht.

Dabei sind günstige Zinsen notwendige Voraussetzung, geradezu Rückgrat, des US-Wachstums. Dieses darf nie zu einer weichgekochten Spaghetti werden.

Spätestens, wenn (High-Tech-)Aktien, Anleihen und der US-Dollar gleichzeitig nervös sind, sollte das Weiße Haus weise realisieren, dass man auf dem Holzweg ist. Ein größeres Misstrauensvotum kann es in der Finanzwelt nicht geben. Der Markt hat immer Recht.

Vor diesem Hintergrund kann Trump bluffen, aber nicht Asse auf den Tisch legen. Ja, es gibt berechtigte Kritik an den Handelspraktiken Pekings, z.B. in puncto Währungsmanipulation zur chinesischen Exportförderung. Daneben kommt die EU ebenfalls nicht in den Himmel des Freihandels. Doch verhält man sich als US-Präsident ruhig und überlegt, nicht wie Graf Rotz, der das Bild des hässlichen Amerikaners zeichnet. Aktuell geht es um die diskutierte Drangsalierung ausländischer Investoren über Sonderbesteuerungen, wenn deren Heimatländer sich gegenüber Amerika als „Schurkenstaaten“ zeigen. Schon aus Gründen der Gesichtswahrung kann kein Handelspartner sich als willfähriger Ochse zeigen, dem man dann zukünftig noch mehr Last auf den Rücken packt.

Miese (Finanz-)Wirtschaft ist noch keinem US-Präsidenten lange gut bekommen. Die Lage wird sich daher auch wieder beruhigen, weil Trump Amerika nicht an die Klippe führen kann, ansonsten wird er persönlich Bekanntschaft mit ihr machen. Tatsächlich zeigen sich die US-Aktienmärkte mittlerweile ziemlich abgebrüht, eben Taco Trades. Dennoch wird Trump immer wieder ein neues Haar in der Handels-Suppe finden und zündeln. Eigentlich müsste man ihm Medien-Verbot erteilen. Und leider ist zu erwarten, dass Amerika - auch nach Trump - nicht wieder die alte zugkräftige Lokomotive des Freihandels wird. Protektionismus ist wie Unkraut und das vergeht nicht.

Platz da, jetzt kommt Deutschland?

Wegen der Bedeutung Amerikas wird die gesamte Konjunktur- und Finanzwelt den Trumpschen Schmerz spüren. So hat die OECD die globalen Wachstumsprognosen erneut abgesenkt.

Doch müssen sich Europa und Deutschland mit diesem Schicksal nicht abfinden, sondern eine vernünftige Gegentherapie entwickeln. Wenn die USA als Fels von Gibraltar an Festigkeit verlieren, wird Europa relativ attraktiver.

Tatsächlich schenken internationale Geldgeber aktuell Deutschland viel Vertrauen. Die umfangreichen neuen deutschen Schulden werden als gut betrachtet, da sie der Infrastruktur und der Rüstung guttun und für gutes Wachstum sorgen. Jeder gute Schulden-Euro für Investitionen bringt mehr als einen Euro wieder ein. Und so ziehen sie offensichtlich deutsche Anleihen und Aktien der US-Konkurrenz vor. Amerika zahlt aktuell deutlich mehr Zinsen auf seine Staatsschulden als vor Trumps Freiheitstag am 2. April, Deutschland dagegen weniger. Momentan wird der Kapital-Krieg von Deutschland gewonnen, zumal auch die EZB mehr Freiheit bei Zinssenkungen hat als die Fed, die abwarten muss, wie sich Trumps Zoll-Wahnsinn auf die Inflation niederschlägt.

Diese fundamental frohe Botschaft kommt ebenso deutschen Aktien zugute, immer mehr auch denen aus der zweiten Reihe, die einen größeren Heimatbezug haben.

Fehlen nur noch nennenswerte Reformen. Die Chance, Deutschland nachhaltig zu stärken, ist jetzt da, jetzt! Wer sie nicht nutzt, macht sich schuldig.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG

Zurück Weitere Beiträge
© Lorem ipsum dolor sit amet, an omnis etiam usu, omnes labitur scaevola ut pri.