Halvers
Kolumne

 
28.08.2025

Darf man auch im Alter noch in Aktien verliebt sein?

Trotz Risiken ist die langfristige Rendite von Aktien über jeden Zweifel erhaben. Dennoch haben ältere Menschen oder auch Rentner das Bedürfnis, ihr Vermögen vermeintlich zu bewahren, indem sie sich sogar vollständig aus Aktien zurückziehen und stattdessen auf Festgeld und Anleihen setzen. Aber wie sinnvoll ist diese Anlagestrategie?

Angst frisst des Rentners Anleger-Seele auf

Schaut man auf die (Finanz-)Welt, kann von eitel Sonnenschein keine Rede sein. Geopolitische Unsicherheiten, Handelsauseinandersetzungen, ein angestaubtes „Firmenimage“ der deutschen Wirtschaft oder Schwarze und Rote in der Bundesregierung, die sich nicht grün sind, begünstigen Schwankungen und Kursrücksetzer an den Börsen.

Viele Ältere fragen sich daher, wieso sie ihr sauer über viele Jahre und Jahrzehnte angespartes Vermögen der Gefahr dieser möglichen Wertverluste aussetzen sollen. Das mit dem Ruhestand verbundene Ende der oberhalb der Rente liegenden Gehaltszahlungen erhöht das Sicherheitsbedürfnis zusätzlich.

Sicherlich kennen Festgelder keine Kursverluste und Wertschwankungen. Längst ist zudem die schmerzhafte Zeit der Strafzinsen vorbei. Im Vergleich zu Aktien sind Anleihen immerhin weniger volatil und wer bis zum Laufzeitende durchhält, bekommt seinen Einsatz zu 100 Prozent zurück. Das Risiko geht also gegen null.

Und so ist auch in meinem Bekannten- und Freundeskreis, in dem einige die 60 passiert haben, eine gewisse Sympathie für Zinspapiere nicht zu leugnen.

Zinssparen als suboptimale Anlageklasse

Grundsätzlich ist nichts gegen Liquidität in Form von Zinsanlagen einzuwenden. Neben einem Sicherheitsgefühl dienen sie auch als Reserve für unerwartete Ausgaben. Das Interesse bei unvorhergesehenen Ausgaben Kursverluste bei Aktien realisieren zu müssen, ist gering.

So weit, so gut. Doch dürfen Zinspapiere bloß keine Dominanz oder sogar einen Alleinstellungscharakter im Depot haben. Tatsächlich muss Wasser in den süßen Zins-Wein gegossen werden. Nach Abzug der Inflation bleibt aktuell von seriösen Geldmarkt-Angeboten nicht nur nichts mehr übrig, der reale Zins ist vielfach sogar negativ. Hinter der Nominalillusion steckt ein Kaufkraftverlust, der das Vermögen längerfristig auffrisst wie Motten die Kleidung im Schrank.

Ebenso sind Anleihen gehandicapt, da Notenbanken dazu tendieren, die Kreditzinsen des Staates mit Blick auf die überall grassierende Überschuldung geringzuhalten. Und wo es keine hohen Kreditzinsen gibt, kann es auch keine hohen Anlagezinsen geben. So wirkt sich die Verhinderung von Schuldenkrisen als Guthabenkrise bei Rentnern aus.

Das „Langlebigkeitsrisiko“ als finanzielles Risiko

Zum Glück werden wir im Durchschnitt immer älter. Immer älter heißt aber auch, dass die Ersparnisse im Alter länger reichen müssen.

Damit Ruheständlern mit vor allem Zinspapieren nicht zu früh das Geld ausgeht, führt an Aktien kein Weg vorbei. Nur deren Rendite schafft es langfristig, die Inflation hinter sich zu lassen. Internationale Aktien erzielten in der Vergangenheit eine durchschnittliche Rendite von rund zehn Prozent jährlich.

Doch schrecken viele im Alter vor Aktienanlagen zurück. Sie fürchten, über einen nicht ausreichend langen Anlagehorizont zu verfügen, der das Depot nach Kurskorrekturen wieder in die Pluszone führt. Doch kann der Ruhestand mittlerweile durchaus Jahrzehnte dauern. Ein längerer Ruhestand heißt aber auch längerer Anlagehorizont, der wiederum das Risiko von Aktienanlagen senkt. Einen Zeitraum von über 15 Jahren können Rentner immer einkalkulieren. Und z.B. hat es beim MSCI World noch nie einen 15-Jahres-Zeitraum gegeben, in dem sich der Aktienindex negativ entwickelt hat. Die Zeit heilt alle Aktien-Wunden. Realistisch betrachtet macht es also wenig Sinn, sich zu früh und zu umfangreich von Aktien zu trennen. Man könnte seine Ersparnisse überleben.

Überhaupt, warum sollten Rentner die neuen Megathemen - aktuell KI, Biotechnologie oder Raumfahrt - links liegen lassen.? Offensichtlich überkompensieren ihre Chancen die allgemeinen Marktrisiken deutlich. In der Händlersprache spricht man davon, dass immer wieder eine neue Sau über das Börsenparkett gejagt wird. Im positivsten Sinne des Wortes ist die Börse ein „Schweinestall“. Eindeutig durchleben wir bei uns zurzeit schwierige Wirtschaftszeiten. Doch ist Deutschland nicht der Aktien-Nabel der Welt und sind deutsche Werte auf international attraktiven Standorten breit vertreten.

Bevor Aktien im Alter geopfert werden, sollte eine nüchterne Betrachtung der eigenen Finanzlage erfolgen

Trotz all dieser positiven Argumente lässt dennoch die Bereitschaft für risikoreichere Anlagen im Alter nach. Psychologisch ist das zunächst zu verstehen. Immerhin ist im Alter der Vermögensstand meistens am größten und man hat daher am meisten zu verlieren.

Doch sollte jeder Ruheständler vor voluminösen Aktienverkäufen einen Kassensturz seiner persönlichen Finanzen vornehmen und sich ein paar Dinge vor Augen führen.   

Über die gesetzliche Rente wird derzeit heftig diskutiert. Trotzdem ist sie immer noch eine sichere Einkommensquelle, bei der fast jedes Jahr etwas oberdrauf kommt, oft sogar mehr als die Inflation. Viele Rentner leben zu dem in der eigenen, schuldenfreien Immobilie oder erzielen Mieteinnahmen. Damit ist ein Teil der Lebenshaltungskosten bereits abgedeckt.

Vor diesem Hintergrund muss man ausrechnen, wie viel weiteres Zusatzeinkommen überhaupt monatlich nötig ist, um den gewünschten Lebensstandard im Ruhestand zu finanzieren. Übertrieben herumliegende Liquidität sollte vermieden werden. Sie kostet Performance.

Zur Risikominderung darf die Diversifizierung nicht zu kurz kommen. U.a. sollten Einzelaktien selektiver gekauft und Substanzaktie nicht vernachlässigt werden. Aktienindexfonds wie ETFs sollten höher gewichtet werden. Sie haben besonders geringe Kosten und sind marktbreit aufgestellt. Nicht zuletzt sind auch Dividendenwerte attraktiv. Sie bieten im Ruhestand ein zusätzliches stabiles Einkommen und sind daher auch weniger kursanfällig.

Eine alte Faustregel besagt, das Alter von 100 abzuziehen, um den Prozentsatz von Aktien zu bestimmen. Bei einem typischen 65-Jährigen wären das 35 Prozent. Mangels renditestarker Alternativen wäre mir das zu wenig. 50 Prozent sind das Minimum.

Mit Aktien ist es wie mit der Liebe: Man ist nie zu alt dafür. Auch ich bin mittlerweile über 60 und meine Liebe zu Aktien ist unendlich.

Rechtliche Hinweise / Disclaimer und Grundsätze zum Umgang mit Interessenkonflikten der Baader Bank AG

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