Trotz grandioser Quartalsergebnisse stehen viele Anleger der KI-Branche skeptischer gegenüber. Ist Künstliche Intelligenz doch nur eine aus dem Kraut geschossene Fantasie, die bald verblüht? Oder ist diese Pflanze tatsächlich immergrün und kann nachhaltig gedeihen?
Einer der größten KI-Kritiker ist Michael Burry, der durch seine Prognose des Immobiliencrashs 2008 Reputation erlangt hat. U.a. bezweifelt er die Wirtschaftlichkeit der von Nvidia prognostizierten KI-Ausgaben von 3 bis 4 Bill. US-Dollar bis zum Ende des Jahrzehnts. Oft wird die Tech-Branche sogar als Schneeballsystem kritisiert: Wenn sich Unternehmen X an Y beteiligt, kauft Y mit dem Beteiligungskapital bei X ein.
Diese „Zirkelbezüge“ weisen scheinbar Parallelen mit der Dot.com-Blasenzeit auf. Damals hatten sich Telekom-Konzerne und ihre Geschäftspartner tatsächlich die Investitions-Bälle hin und her gespielt.
Zunächst jedoch, im Gegensatz zu früheren Potemkischen Dörfern wird heute viel Substanz geboten. 1999 waren es vor allem Könige ohne Land, Glücksritter ohne Umsatz, die die allerhöchsten Bewertungen erzielten. Heute generieren die sog. Magnificent 7 mit einem Gesamt-KGV von etwa 31 gegenüber 23 für den S&P 500 überdurchschnittlich hohe freie Cashflows, kaufen Aktien zurück und zahlen mitunter sogar Dividenden.
Dennoch ist bei jedem neuen vielversprechenden Investitionszyklus mit zwischenzeitlichen Durststrecken zu rechnen. So mussten für die Verkehrsrevolution der Eisenbahn erst aufwendig Schienen verlegt werden. Auch die enormen Ausgaben für Glasfasernetze brauchten Zeit, bis sie sich durch die rasante Entwicklung des Internets amortisierten. Und als der Ausbau des Frequenzspektrums mit unzähligen Mobilfunkmasten begann, war noch nicht erkennbar, dass heute Milliarden Menschen Smartphones mit vielfältigsten Anwendungen nutzen würden.
Und so ist auch bei KI zu erwarten, dass es längerfristig ohne Zweifel zu einer großen wirtschaftlichen Bereicherung kommt, der Weg dahin nach einer anfänglichen euphorischen Pionierzeit aber zwischenzeitlich auch mühsam sein kann.
Und wie sind die gigantischen KI-Investitionen einzuschätzen? Der Großteil der Investmentsummen für KI-Projekte kommt insbesondere von großen Rechenzentrenbetreibern wie Amazon, Microsoft, Google, IBM oder Oracle, die dafür zunächst die reichhaltigen Cashflows aus ihrem Kerngeschäft nutzen.
Jedoch nimmt auch der Anteil von Fremdkapital deutlich zu. Grundsätzlich ist es daher wichtig, die Wirtschaftlichkeit, die finanzielle Stabilität und die positive Entwicklung des Cashflows einzelner Chip-Käufer genau im Auge zu behalten und damit ihre KI-Kaufkraft. Kritisch wird es, wenn Unternehmen Dividenden kürzen, Rückkäufe reduzieren oder Schulden anhäufen.
Wenn jetzt einzelne High-Tech-Unternehmen um finanzielle staatliche Unterstützung buhlen, ist das nicht das Eingeständnis, dass die gesamte Branche dabei ist, sich mit KI-Investitionen finanziell zu überheben. Es geht insbesondere um Wehrhaftigkeit gegenüber China, das seine Tech-Staatsunternehmen dopt. So ist zu erwarten, dass sich auch Amerika staatsunternehmerisch einbringen wird, damit seine Tech-Unternehmen technologisch und damit auch geopolitisch führend bleiben.
Überhaupt werden die Preise von Hochleistungschips nicht unendlich nach oben gehen. Die Chip-Konkurrenten werden alles daransetzen, von diesem großen nahrhaften Kuchen möglichst viel abzubekommen. So wird die Abhängigkeit der Chip-Nachfrager von wenigen Anbietern gemildert, die ihre hohen Preise nicht mehr durchdrücken können.
Vor diesem Hintergrund geht die sorgenfreie Kinderzeit von KI in die schwierigere Zeit der Pubertät über, in der sich die Spreu vom Weizen trennt. So war es doch immer schon bei technischen Revolutionen. Die großen Fische schwimmen weiter und der Beifang endet als Dosenfisch.
Zusammengefasst mögen wir es bei KI mit einer KI-Blase zu tun haben, aber mit einer, die Perspektive hat. KI wird gebraucht, selbst wenn sich die märchenhaften (Aktien-)Zeiten nicht bedingungslos fortsetzen. Und was Michael Burry angeht: Seine zahlreichen bärenhaften Aussagen zum Aktienmarkt nach 2008 waren auch nicht immer treffsicher.
Die Unklarheit der Fed in puncto Zinssenkungen sorgt für weniger Risikoappetit, was zunächst die Kryptoanlagen mit harter Knute zu spüren bekommen. Viele Anleger finanzierten ihre Bitcoin-Käufe auf Kredit. Angesichts erheblicher Kurseinbrüche und daher mangelnden Sicherheiten brauchen viele dringend Liquidität. Profiinvestoren setzen mit ihren umfangreichen Wetten zudem weiter auf fallende Kryptokurse, was die Liquiditätsnöte noch verstärkt. Insofern ist der Bitcoin ein Maß für die Risikotoleranz der Anleger geworden.
Da aber Bitcoin-Verkäufe zu lange dauern, bis das Bankkonto wieder flüssig ist, suchen Spekulanten woanders nach der schnellen Geldverfügbarkeit. Perfekt funktioniert das mit dem Verkauf von Aktien. Der Erlös ist Ruckzuck auf dem Konto. Begehrt sind dabei naturgemäß Aktien mit hohen Buchgewinnen. Und das sind ausgerechnet KI-Titel. Sie werden zur Cash-Oase für Anleger, die am Kryptomarkt verdursten.
Insgesamt kommt es bei KI-Werten also vor allem wegen äußeren Effekten zu Kursschwächen. Die inneren Werte haben sich wenig verändert.
Dies ist auch der Grund, warum von wirklicher KI-Panik wenig zu spüren ist.