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Halvers
Kolumne

 
27.05.2020

Lufthansa braucht zeitweise einen väterlichen Freund, aber keinen langfristigen Übervater

Es ist völlig in Ordnung, wenn Vater Staat verhindert, dass der stolze Kranich flügellahm wird. Er ist kein Zombie, der künstlich am Leben gehalten werden muss. Die Lufthansa hat sich in den letzten Jahren aus eigener Kraft erfolgreich gegen die subventionierte Konkurrenz aus den arabischen und asiatischen Ländern behauptet. Im Übrigen ist die Kranich-Airline systemrelevant. Im Frachtverkehr sorgt sie seit Jahrzehnten für einen reibungslosen deutschen Export. Bei weiterem Sinkflug drohte der First Class-Logistiker zum Economy-Preis an einen Staatskonzern aus Asien und unsere Unabhängigkeit im Außenhandel verloren zu gehen.  

Der Staat gelobt einen schnellen Wiederausstieg aus der Lufthansa

Konkret will sich Vater Staat mit Einlagen von insgesamt 5,7 Milliarden Euro, einem KfW-Kredit von bis zu drei Milliarden und als Aktionär über eine Kapitalerhöhung mit 20 Prozent beteiligen. Das lässt er sich gut bezahlen. Für seine Kredite erhält er Zinsen bis 9,5 Prozent. Das zahlen an den Zinsmärkten ansonsten nur noch windige Seelenverkäufer. Nicht zuletzt erhält der Staat seine Lufthansa-Aktien zum Schnäppchenpreis von 2,56 Euro je Aktie. Dieser liegt damit fast 75 Prozent unter dem aktuellen Kurs. Das ist die Luxusvariante von Freimeilen.

Dennoch wird an der Börse die Rettung höher als dieser Verwässerungseffekt gewertet. Auch mit zwei staatlich bestimmten Aufsichtsratsmitgliedern kann der Markt leben. Denn es sollen unabhängige Wirtschaftsfachleute, keine gesundbetenden Ministerialdirigenten an Bord kommen.   

Die Hauptsache ist, dass der Staat keine direkte Sperrminorität von 25 Prozent und einer Stimme erlangt, die er zur politischen Einflussnahme auf Unternehmensentscheidungen missbraucht. Und tatsächlich spricht er davon, nicht nur ein stiller Beteiligter zu sein, sondern auch schnell wieder auszusteigen. Für mich ist das soziale Marktwirtschaft. Wie bei der Feuerwehr muss Papa Staat da sein, wenn man ihn braucht, ansonsten nicht. Sein Engagement wird durch die Versilberung der Aktien bei wieder angestiegenen Kursen entlohnt. Das ist auch legitim.

Aber wie schnell kann der schnelle Exit des Staats überhaupt sein?

Eine Sperrminorität ist allerdings nicht vom Tisch. Dazu gibt es zwei Varianten. Erstens, im Falle einer drohenden Übernahme kann Vater Staat sein Aktienengagement vergrößern. Die zweite Variante ist wahrscheinlicher. Häuft die Lufthansa jahrelang so viel Verlust an, dass sie ab 2024 die Zinsen auf die staatlichen Kredite nicht bezahlen kann, wird die stille ebenso zur lauten Beteiligung.  

Niemand weiß, wann die Corona-Krise vorbei ist und ob der Song „Fly like an Eagle“ der Steve Miller Band überhaupt wieder ein Hit wird. Strenge Hygiene- und Abstandskontrollen, noch längere Schlangen und Wartezeiten beim Einchecken und sowieso höhere Flugpreise bei gleichzeitig nicht mehr so locker sitzendem Geld lassen vom Glamour-Faktor beim Fliegen zunächst nicht viel übrig. Warum sollte man nicht in Deutschland oder im benachbarten Ausland Urlaub machen und mit Auto oder Bahn anreisen? Und Videokonferenzen für Geschäftsleute sind viel bequemer, zumal die Firmen sparen werden. Die Ertragslage der Lufthansa wird noch lange angespannt bleiben.   

Auf dem Rollfeld kann sich auch die EU querstellen. Für die staatliche Unterstützung solle die Lufthansa Start- und Landerechte an ihren ertragsstarken Standorten Frankfurt und München an die Konkurrenz abgeben. Macht dann die staatliche Rettung überhaupt noch Sinn? Bei der früheren Rettung von Alitalia war man weniger kritisch. Und die Rettung von Air France wurde mit dem Hinweis durchgewunken, ohne staatliche Unterstützung bestehe wegen Corona die Gefahr, dass die Airline bankrottgehe, was der französischen Wirtschaft schweren Schaden zufügen würde. Ach was, und das ist in Deutschland, das als größere Exportnation deutlich mehr auf Logistik in der Luft angewiesen ist, anders?

Europäische Solidarität, die grundsätzlich völlig in Ordnung ist, ist keine Einbahnstraße. Deutschland ist anderen EU-Staaten in Schuldenfragen unzählige Male bis zur Verleugnung eigener Stabilitätsinteressen entgegengekommen. Und mit dem Wiederaufbaufonds der EU geht die Tür zur Vergemeinschaftung von Schulden endgültig auf. Man kann von den einen nicht die orthodoxeste Regelbefolgung einfordern und bei anderen Fünfe gerade sein lassen. Wer nimmt, muss auch geben.  

Wenn der Staat doch mehr als nur Frequent Traveller bei der Lufthansa sein will

Vor diesem Hintergrund wird es nicht zum schnellen „Staaxit“, dem staatlichen Exit aus der Lufthansa kommen. Um keine Verluste zu realisieren, bleibt der Staat länger an Bord als er aktuell vorgibt. Er klebt an der Lufthansa wie Kaugummi unter dem Flugzeugsitz.

Doch je länger er da ist, umso größer werden seine Gelüste, der Kranich-Airline nicht nur als staatlicher Unterstützer, sondern auch mehr und mehr als staatlicher Geschäftsführer unter die Flügel zu greifen. Die Zeit heilt nicht nur alle Wunden, sondern auch politische Lippenbekenntnisse: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern“. Was heute noch unmöglich erscheint, ist morgen überlegenswert und übermorgen alternativlos.

Tatsächlich könnte sich die Gemengelage bei veränderten politischen Mehrheiten ergeben. Der Treueschwur der maximalen Staatsferne verfliegt spätestens dann, wenn zukünftige Koalitionen nur bei Einwilligung auch zu mehr politischem Einfluss bei der Lufthansa zustande kommen.

Als Alibi wird immer gern der Klimaschutz bemüht. Dabei plant Lufthansa längst, Emissionen über die Anschaffung neuer sparsamerer Flugzeuge und Reduzierungen von Flügen deutlich zu senken. Überhaupt, gibt es ein Land, wo Umweltfragen und Flugscham eine noch größere Bedeutung haben als in Deutschland? Hier übt der Markt bereits viel Druck aus, ohne dass der Staat mit Schmackes nachhelfen muss.

Wenn staatlichem Einfluss bei der Lufthansa in der Krise erst einmal die Tür geöffnet wurde, kann sich schnell eine Blaupause für weiter Unternehmen entwickeln, denen der Staat auch unter die Arme greifen muss. Sendungsbewusste und ideologisch denkende Politiker könnten auf die Idee kommen, auch diese zu ihrem „Glück“ zu zwingen. Am Ende droht ein staatswirtschaftlicher R-Fakor von weit über eins, der die Marktwirtschaft exponentiell infiziert. Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit werden leiden und schließlich Wachstums- und Beschäftigungspotenziale schmälern.

In das Kranichnest gehört kein staatliches Kuckucksei.