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Halvers
Kolumne

 
16.11.2022

Das Narrativ eines angeblich gespaltenen Deutschlands als Legitimation für noch mehr Staat

Einige Zeitgenossen behaupten immer wieder, Deutschland sei ein sozial gespaltenes Land. Mit dieser Moralkeule wird immer noch mehr staatliche Umverteilung gefordert. Unabhängig davon, dass dieser Vorwurf grundsätzlich unberechtigt ist, zeigt die Geschichte, dass ein immer stärkerer Staat am Ende aus Wohlstand für alle Weniger für alle macht.

Ohne die Besserverdienenden ist kein Staat zu machen

In welchem Land der Welt geht es denn sozial gerechter zu bzw. wird mehr umverteilt als bei uns? Allein der Bund zahlt in diesem Jahr etwa 160 Mrd. Euro an Sozialleistungen. Zu ihrer Finanzierung zahlen die obersten 10 Prozent der Besserverdienenden rund die Hälfte der Steuern. Bei den oberen 30 Prozent sind es sogar 80 Prozent. Von mangelnder Umverteilung von den „Reichen“ zu den „Armen“ kann also niemand ernsthaft reden. Ohne die Besserverdienenden, zu denen bereits Facharbeiter gehören, ist an Sozialstaat gar nicht zu denken. Und wenn also Deutschland ein sozial kaltes Land sein soll, dann leben Amerika und Großbritannien in der schlimmsten Eiszeit. Übrigens sind wir auch in Europa sozialpolitisch spitze.

Der Staat ist ein Nimmersatt

Dennoch reicht es den staatsgläubigen Gutmenschen immer noch nicht. Selbst die Wirtschaftsweisen - eigentlich weise Stimmen der wirtschaftlichen Vernunft - sind der Meinung, der Motor der staatlichen Umverteilung müsse in der Energiekrise noch besser geschmiert werden.

Zwar solle es nur zeitlich befristete Erhöhungen des Spitzensteuersatzes oder die Einführung eines Energie-Solis lediglich bis etwa Frühjahr 2024 geben. Sicher, in der Not hat der Staat da zu sein. Doch zeigt das Beispiel Solidaritätszuschlag zur Finanzierung der deutschen Einheit, dass es fast unmöglich ist, dem Staat das, was er in seinen Klauen hält, wieder zu entreißen, wenn der Zweck erfüllt ist. Für Besserverdienende gilt er bis heute, die sich damit übrigens solidarisch zeigen.

Ja, Vater Staat ist wie ein Hund, der kein Sättigungsgefühl kennt. Seine Phantasie, was man mit noch mehr Steuerabgaben der wirtschaftlich aktiven Bürger so alles anstellen kann, geht ihm nie aus.  

So wird immer lauter eine Vermögenssteuer gefordert, die ebenso die wirtschaftliche Substanz von Kleinunternehmern gefährdet. Und warum mit einer Übergewinnsteuer aufhören? Es gibt doch noch so viele Möglichkeiten, den Unternehmen und Bürgern das Steuer-Fell über die Ohren zu ziehen.

Rettet den deutschen Wirtschaftsstandort

Wie kann man in Deutschland, das in einer großen Energie- und Wirtschaftskrise steckt, überhaupt an Steuererhöhungen denken? Schon heute sind wir ein Hochsteuerland. Sollen noch mehr Firmen schließen bzw. aus Deutschland abwandern und ihre Wirtschaftskraft mitnehmen?

Ohnehin kann die Füllung der vermeintlich immer größeren Gerechtigkeitslücken auch kontraproduktiv, ja wachstumsfeindlich wirken. So überlegen die unteren Einkommensgruppen, ob eine Beschäftigung noch lohnt. In einer bekannten TV-Talkshow hat neulich eine Sozialarbeiterin freimütig eingeräumt, dass es ökonomisch durchaus sinnvoller sein kann, volle Transferleistungen zu beziehen als arbeiten zu gehen. Hier sei an den Sommer erinnert, als an deutschen Flughäfen ausländische Arbeitskräfte für z.B. die Gepäckabfertigung angeworben wurden, obwohl Deutschland immer noch ca. zwei Millionen Arbeitslose hat. Das frühere Argument, es gibt zu wenig Arbeit und der Staat muss eingreifen, kann heutzutage nicht mehr herhalten. De facto fehlt es an allen Ecken und Enden an Arbeitskräften.

Dass ich nicht falsch verstanden werde: Sozialleistungen in Krisen gehören zu einer demokratischen Gesellschaft selbstverständlich hinzu. Aber der Sozialstaat darf nur die Lösung in Krisen sein, nicht das Standardangebot.

Und natürlich sind Deutsche überhaupt nicht faul, aber der Staat lädt immer mehr dazu ein. Man gewöhnt sich an die staatlichen Segnungen, auf die man nicht mehr verzichten will. Ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es vielen Politikern vor allem um die nächste Wahl geht.

Es mag heutzutage politisch unkorrekt sein, aber das Prinzip Fördern und Fordern muss erhalten bleiben. Ansonsten muss die hart arbeitende Bevölkerung immer mehr von den Früchten ihrer Arbeit abgeben. In diesem Zusammenhang ist es heuchlerisch, wenn Moralapostel theatralisch darum betteln, höher besteuert zu werden. Was hält diese Menschen denn davon ab, alternativ wohlfahrtsfördernde Stiftungen zu gründen oder das Geld Bedürftigen direkt zukommen zu lassen?

Dabei gibt es gute Alternativen zur staatlichen Umverteilung. Warum verschiebt man die Einkommensgrenze, ab der die Steuer- und Sozialabgabenpflicht einsetzt, nicht deutlich nach hinten, um mehr Netto vom Brutto zu haben. Arbeit muss sich wieder lohnen.

Vor allem aber, wenn sich Leistung hier immer weniger lohnt, wird sie hier auch nicht mehr erbracht. Das Ausland, z.B. Amerika, freut sich über neue Talente und unsere Unternehmen mit ihrem phantastischen Industrie-Knowhow. Für die Sicherung seines Wohlstands braucht Deutschland jedoch keine Aussteiger, sondern Aufsteiger. 

Zu viel Staat ist nicht die Lösung des Problems, zu viel Staat ist das Problem

Doch denen, die die angebliche Spaltung Deutschlands wie eine Monstranz bei der Fronleichnamsprozession vor sich hertragen, geht es um viel mehr. Es geht ihnen um ein „besseres“ Gesellschaftsmodell. Und das kann nur einer schaffen, der Staat, der „Gleichheit“ von oben anordnet.  

Doch muss Deutschland aufpassen, dass es nicht die Fehler Schwedens wiederholt, das seine Staatswirtschaft Anfang der 90er Jahre so aufgebläht und das individuelle Leistungsprinzip so mit Füßen getreten hatte, dass das Land kurz vor der Pleite stand. Immer höhere staatliche Fixkosten müssen ja irgendwie finanziert werden.

Möglichst viel individuelle Freiheit, um wirtschaftliche Ideen umzusetzen, sind der gut gedüngte und gewässerte Nährboden, um Fortschritt, Wohlstand und Arbeitsplätze zu schaffen. Eine dominierende Staatsknute dagegen sorgt nur für die Ausbreitung der Wirtschafts-Wüste.

Und damit der Eigennutz gegenüber dem Gemeinnutz nicht über die Stränge schlägt, hatte Deutschland die Gesellschaftsform der sozialen Marktwirtschaft gewählt, die sich bestens bewährte. Bei ihr sind individuelle Wirtschaftsfreiheit mit sozialer Verantwortung gekoppelt, eine Win-Win-Situation. Ich bin mir sicher, dass dies auch die Erfolgsformel für den Klimaschutz ist. Wie schön wäre es, wenn deutsche (Wirtschafts-)Politik zu diesen Tugenden zurückkehrte.

Wenn Politiker dieses Erfolgsmodell zugunsten staatlicher Bevormundung stutzen, leiden sie unter dem Winkelverlustsyndrom, auf Deutsch: Sie haben eine Ecke ab.