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Kolumne

 
22.03.2017

Nach dem Besuch von Merkel bei Trump sollte Europa begriffen haben, um was es geht

Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse Baader Bank

Seit Ende des II. Weltkriegs waren die Beziehungen zwischen deutschen Regierungschefs und US-Präsidenten meistens von herzlicher Wärme geprägt. Doch wenn man sich die Bilder des Besuchs von Angela Merkel bei Donald Trump zu Gemüte führt, weiß man, was politische Eiszeit ist: Die Bundeskanzlerin konnte mit ihrer angespannten Körperhaltung ihr Unwohlsein nicht verbergen. Und der Präsident saß in seinem Sessel so ungehalten wie ein Pitbull, der auf das nächste Futter wartet. Die Macht dieser Bilder ist übermächtig. Auch inhaltlich muss das Treffen von Merkel und Trump als das bezeichnet werden, was es war: Eine Pleite!

Und mit seiner Twitter-Meldung nach Abreise der Kanzlerin, Deutschland müsse seine Nato-Schulden bei seinen amerikanischen Beschützern bezahlen, hat Trump Frau Merkel noch einmal Dreck hinterhergeworfen. Wenn alle ersten Dates so ablaufen, können Standesbeamte ihren Beruf an den Nagel hängen.
 

Trump will nicht nur spielen, der meint das ernst

Aber Einspruch: Hat Trump diese plumpen Bilder nur zur Unterstreichung seiner harten „America First-Haltung“ beim US-Publikum gebraucht? Ist er in den Tiefen seines Herzens dann doch ein ganz Netter? Einspruch abgewiesen! Es liegt nicht nur am spröden Charme eines Immobilienmagnaten, der diplomatische Manieren im Haifischbecken der New Yorker Bauindustrie nie kennengelernt hat. Das politische Klima zwischen Amerika und Deutschland hat sich tatsächlich eingetrübt.

Das unterstreicht auch das enttäuschende Treffen der G-20-Finanzminister in Baden-Baden über die Zukunft des Welthandels. Die bedeutendste Botschaft war noch, dass Finanzminister Schäuble das Essen und die Weine und sein amerikanisches Pendant Mnuchin die Stadt und das Wetter lobten. Hallo, waren da etwa zwei auf Kurbesuch nach dem Motto „Morgens Fango, abends Tango“?

Zum Welthandel ließ Amerika in der Abschlusserklärung dagegen nur ein Sätzchen zu: „Wir arbeiten daran, den Anteil des Handels an unseren Volkswirtschaften zu stärken.“ Was für eine erbärmliche Aussage. Amerika wehrte sich gegen ein klares Bekenntnis zum freien Welthandel wie ein Kleinkind gegen Spinat. Übrigens, wir sprechen hier von den USA, dem Land, das den Freihandel erfunden und bislang eisern verteidigt hat. Unter Trump droht er zu verrosten.
 
Die Beerdigung des transpazifischen Handelsabkommens TPP bzw. die Neuverhandlung des Freihandelsabkommens mit Kanada und Mexiko war Trumps erster protektionistischer Handels-Streich, doch der zweite folgt sogleich. Zukünftig umschreibt „Ausbalanciert“ die neue US-Handelsdoktrin zur Rettung amerikanischer Industriejobs. Vor allem die Deutschen, die Euro und EU angeblich als willkommene Erfüllungsgehilfen für ihre Handelsdominanz missbrauchen, sind schuld am Darben von Peter, Paul and Mary. Aber jetzt kommt Donald „Robin Hood“ Trump, der protektionistische Rächer der von Handels-Deutschland enterbten Arbeiterklasse. Irgendwie klingt das nach Klassenkampf: Der Republikaner und Multi-Milliardär Trump als moderner Marxist?

Das sind schlechte Karten für Deutschland, dessen Wohlstand vom freien Welthandel so abhängig ist wie ein Ballon von heißer Luft: Wird die weniger, geht es abwärts.
 

Wer nur moralisch gewinnen will, hat wirtschaftlich schon verloren

Wenn Deutschland und Europa jetzt gegen Trump zur Moralkeule greifen, interessiert das den Anti-Knigge Trump so wenig wie die Weltmeisterschaft im Kirschkernweitspucken. Trump weiß, wo der Handels-Hammer hängt: Die Deutschen haben den Exportüberschuss, nicht die USA. Und da hilft auch nicht die „Entschuldigung“, dass deutsche Produkte sogar umfangreich in Amerika von Amerikanern gebaut werden. Das weiß Mercedes-Fahrer Trump. Aber im Handelskrieg sind alle Mittel erlaubt, vor allem seine postfaktischen Wahrheiten.

Europäische Wirtschaftspolitiker, die jetzt ihr Mütchen kühlen wollen und planen, die USA wegen Protektionismus bei der Welthandelsorganisation WTO anzuzeigen, beweisen, dass sie nicht die hellsten Kerzen auf der Geburtstagstorte sind. Es mag ja frustrierend sein, aber wer gegen die politische und wirtschaftspolitische Weltmacht Nr. 1 einen Handelskrieg anzetteln will, hat verloren, bevor die Mobilmachung startet.  

Alternativ versuchen Deutschland und Europa jetzt, stärkere Handelsbeziehungen mit Japan, den Schwellenländern und China aufzubauen. Aber auch die haben ihre Haken. So will Japan als großer US-Exporteur den amerikanischen Adler nicht über Gebühr reizen. Und viele Schwellenländer wollen ihre militärische Schutzmacht nicht verprellen. Und sich in Handels-Notlage bedenkenlos China anzuvertrauen, wäre so, als würde man sich einen Alligator als Haustier zulegen. Um ihn gewogen zu stimmen und um seinen Hunger zu stillen, wird er verlangen, unsere industriellen Know How-Träger großflächig auffressen zu dürfen. Auch China „trumpt“, denkt bei seiner volkswirtschaftlichen Weiterentwicklung nur an einen, an sich. Nennen wir es China First-Politik.
 

Amerikas neue heile Wirtschaftswelt droht Europas alte kaputt zu machen

Auf Europa und vor allem Deutschland kommt aber noch ein viel größeres, strukturelles Wirtschaftsproblem zu. Wir werden von Amerika dort angegriffen, wo wir uns bisher sicher fühlten, nämlich in den Kernkompetenzen der klassischen Industrie und im Fahrzeugbau. Die nächste industrielle Revolution der Digitalisierung macht es möglich. Bei Autos z.B. geht es zwar auch zukünftig noch um Schönheit, Leistungsstärke oder Design und diese old economy-Anforderungen werden deutsche Autobauer auch morgen und übermorgen noch großartig erfüllen. Doch werden die Anteile der wirtschaftlichen Wertschöpfung beim Auto zügig immer mehr Richtung social media-Schnick Schnack verschoben. Und da sind uns die USA mit Intel, Facebook, Google, Apple, Amazon usw. weit überlegen. Diese Unternehmen werden - auch mit Donalds Gnaden - noch mehr an Marktmacht gewinnen. In der digitalisierten Industrie 4.0 sind sie die neuen Rockefellers. Die Gefahr ist groß, dass sie hier ähnlich dominierende Standards setzen wie früher Microsoft mit Windows. Der Vorsprung durch Technik, die new economy, droht, immer mehr in Übersee betrieben zu werden.  

Und was machen die europäischen Politiker? Wie verteidigen sie den Erhalt unserer Industrie mit seiner Masse an Arbeitsplätzen, die vielfach wegdigitalisiert werden? Auch auf der CeBIT in Hannover spricht man zwar von den großen Herausforderungen der Digitalisierung für die europäischen Wirtschaftsstandorte. Aber eigentlich wird das Thema nur politisch moderiert. Wo ist die Umsetzung? Wo ist die Digitalisierungs-Agenda 2020 bis 2030? Dagegen ist man bei Fragen der sozialen Gerechtigkeit deutlich konkreter. Doch leider kann man das Fell des Bären erst dann verteilen, wenn er erlegt ist.

The Donald Horror Picture Show kann Europa nicht mit Moral bekämpfen. Wir brauchen unsere eigene Perspektiven schaffende Wirtschafts-Show. Welche Bedeutung hat ansonsten die EU als europäischer Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, der jetzt bei einem Auffahrunfall der USA seinen Versicherungsschutz nicht gewährt?

Europa und Deutschland müssen zügig aufhören, Amboss zu sein. Zeigen wir Donald unseren Hammer. Der Besuch von Frau Merkel im Eispalast des Weißen Hauses sollte jedem die Augen geöffnet haben, dass es keine Alternative dazu gibt.