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Halvers
Kolumne

 
29.08.2018

Wenn die griechische Schuldenkrise ein Maulwurfhügel ist, dann ist die italienische der Mount Everest

Der Stiefel ist der kranke Mann Europas. Italien konnte in den letzten Jahren kaum mehr als Null-Komma-Wachstum erzielen. Leider macht die neue Regierung in Rom aus Fünf-Sterne-Bewegung und Lega keine Anstalten, diese Wirtschafts-Askese zu beenden. Doch wenn eine Volkswirtschaft nicht wächst, wachsen ihre Schulden. Denn an seinen Fixkosten kommt der Staat nicht vorbei. Schon heute schiebt Italien eine Staatsschuldenlast vor sich her, die mehr als dem 1,3-fachen der Wirtschaftsleistung entspricht. Ein Euro-Beitritt wäre heutzutage unmöglich. Und es geht munter weiter. Die Regierung hat ein garantiertes Grundeinkommen bis 800 Euro, Rentenerhöhungen und Steuersenkungen versprochen. Bei Umsetzung all dieser Maßnahmen würde das Haushaltsdefizit - drei Prozent sind erlaubt - bei etwa sieben Prozent liegen.     

Der Finanzmarkt bezweifelt längst die Schuldentragfähigkeit Italiens  

Während die Renditen von Staatsanleihen anderer Euro-Länder seit Jahren stabile Verhältnisse zeigen, sind die Renditen 10-jähriger italienischer Anleihen aktuell so hoch wie seit 2014 nicht mehr. Bemerkenswert ist auch, dass sich italienische und spanische Staatspapiere nicht mehr wie Zwillingskinder gleich entwickeln. Spanien ist eindeutig zum Lieblingskind der Anleger geworden.  

Wenn demnächst auch noch die drei großen amerikanischen Rating-Agenturen die römische Kreditwürdigkeit herabstufen, wird Italien endgültig zum Sorgenkind. Schon heute ist Italien nur noch zwei Stufen vom Ramsch-Niveau entfernt ist.

Ein hoher Schuldenstand und hohe Neuverschuldung bei gleichzeitig steigenden Kreditzinsen sind der Gift-Cocktail, der langfristig zur Pleite eines Landes führt. Um sich vorzustellen, zu was ein Kreditausfall Italiens führte, braucht man keinen Katastrophen-Regisseur aus Hollywood. Die gewaltigen Kreditabschreibungen auf italienische Staatspapiere in Höhe von 2,3 Bill. Euro würden Europas Banken reihenweise in die Insolvenz treiben.  

Dann würde auch das Damoklesschwert des Target-Überschusssaldos nicht nur über Finanz-Deutschland schweben, sondern fallen. Über das sogenannte Target2-System sollten sich Notenbanken im Euroraum ursprünglich bei zwischenzeitlichen Liquiditätsengpässen untereinander aushelfen. Diese treten auf, wenn Euro-Land X nach Euro-Land Y mehr exportiert als umgekehrt oder als Investitionsland gefragter ist. Dann hat X gegenüber Y einen zeitweisen Überschusssaldo, also eine Kreditforderung und Y gegenüber X umgekehrt eine -verbindlichkeit. Ein dauerhaftes Finanzierungsinstrument sollte daraus nie werden. Doch zu genau dem ist es geworden. Mit seinen permanenten Handelsbilanzüberschüssen und als begehrtes Zielland für flüchtiges Kapital - zuletzt auch aus Italien - hat Deutschland bei der Bundesbank mittlerweile „Dispositionskredite“ vor allem gegenüber der italienischen, aber auch anderen Zentralbanken von fast einer Billion Euro angesammelt. Eine Reduktion, geschweige denn ein Ausgleich dieses deutschen Kreditüberschusses ist gemäß real existierender Wirtschaftsverhältnisse illusorisch. 

Diese Kreditforderungen sind unverzinst, es gibt keine Rückzahlungsvereinbarungen und Sicherheiten, z.B. in Form der italienischen Goldreserven, sind auch nicht hinterlegt.

In normalen Euro-Friedenszeiten ist dieses Kreditvolumen weniger dramatisch als es die schiere Größe nahelegt. Käme es jedoch zu einem italienischen Kreditausfall oder gar einem Italexit aus der Währungsunion, würde die Bundesbank und der für sie letztlich geradestehende Bundeshaushalt einen finanziellen Totalschaden erleben.

Wie wahrscheinlich ist eine italienische Schuldenkrise wirklich?

Italiens Schulden sind nicht nur ein Fluch, sondern auch ein Segen. Sie verleihen Italien ein massives Druckmittel. Wenn schon die kleine griechische Schuldenkrise fast zum Ruin der Währungsunion geführt hätte, würde die viel größere italienische ihren Exodus bedeuten. Kippt Italien, kippt auch das europäische Gemeinschaftswerk, finanziell und geopolitisch.

Wenn Rom mit dieser Drohung nicht wuchern kann, womit sonst? Dass man die römische Erpressungskeule einsetzen würde, zeigt die Warnung, den EU-Haushalt zu blockieren bzw. die Zahlungen an Brüssel einzustellen, wenn man Italien bei der Flüchtlingskrise nicht entgegenkommt.

Die verstehende europäische Politik wird also jede römische Schuldenkrise schon im Ansatz verhindern, zumal sie wie Tomatensuppe über den italienischen Tellerrand schwappen und auch andere Euro-Länder finanzwirtschaftlich beschmutzen würde. Italien ist viel zu groß, um aus tatsächlicher Schulden-Not gerettet zu werden. Soweit darf es erst gar nicht kommen.

Knecht EZB sorgt weiter dafür, dass Italien gut in den Schulden-Stiefel passt

In der Causa Italia wird Europa finanzpolitische Gnade vor Stabilitäts-Recht walten lassen. Die EU wird alle Augen inklusive Hühner-Augen zudrücken. Hierzu bietet die italienische Infrastruktur, die vielfach noch römischen Ursprungs zu sein scheint, vortreffliche Rechtfertigungen. Wenn diese mit Hilfe neuer Kredite auf Vordermann gebracht wird, ist dies doch gut investiertes Schulden-Geld.  

Für das geschmeidige italienische Schuldenmanagement sorgt weiter die EZB mit ihrer lockeren Geldpolitik. Dabei würde ein Stabilitätsfalke wie Bundesbankpräsident Jens Weidmann als Nachfolger von Mario Draghi 2019 an der Spitze der EZB bloß stören. Denn Stabilitäts-Denken schadet der Illusion einer intakten Finanz-Stabilität Italiens. Also her mit der nächsten Instabilitätstaube.

Und tatsächlich zieht die deutsche Bundesregierung Herrn Weidmann als Kandidaten zurück, übrigens im sehr eigenen Interesse. Denn ohne eine Italien-freundliche EZB müssten alternativ riesige Rettungsschirme, wenn nicht sogar Euro-Bonds geschaffen werden. Dafür müsste Deutschland mit seinem guten Finanz-Leumund bürgen, würde aber auch in Form höherer Risikoaufschläge auf seine Anleiherenditen gewürgt. Dann würden schwarze Zahlen in den öffentlichen Haushalten schneller verschwinden als Mäuse, wenn die hungrige Katze kommt. Dem gegenüber kann sich Deutschland mit der planwirtschaftlichen Kreditzinsdrückung der EZB weiter fast für umsonst verschulden. Niemand gibt seinen freien Mittagstisch ohne Not auf. Übrigens eine lockere Geldpolitik schwächt den Euro und stärkt italienische und deutsche Exporte. Noch Fragen?

Damit also die italienische Kreditpleite und damit letztlich auch die europäische verhindert wird, läuft die Kreditvergabe an Rom munter weiter. Für den Luxus von Stabilitätskriterien ist da kein Platz mehr.

Europas Finanz- und Geldpolitiker handeln wie Handwerker: Was nicht passt, wird eben passend gemacht!