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Halvers
Kolumne

 
11.03.2020

Eine (Virus-) Krise darf politisch niemals ungenutzt bleiben

Das Corona-Virus wütet weiter. Wenn ein Weltwirtschaftswachstums 2020 von nur noch 1,5 Prozent für möglich gehalten wird, werden Europa als wachstumsschwächste Region und Deutschland als Exportnation mit Standortdefiziten den Knüppel des Abschwungs besonders heftig spüren. Wenn aber eine Rezession schon nicht zu verhindern ist, muss alles dafür getan werden, dass aus einer Konjunkturbeule kein -totalschaden wird.  

Die Notenbanken werden ihren Teil zur Krisenvorbeugung beitragen

Die internationale Geldpolitik wird ein virales Überschwappen in eine neue Finanz- und Bankenkrise unbedingt verhindern (müssen). Auch wird es zu Stützungsaktionen der Aktienmärkte kommen. Denn massiv fallende Aktien trüben nicht nur das Gemüt der Anleger. Über die Macht der Crash-Bilder wird ebenso die Kaufbereitschaft der Konsumenten abgewürgt, interessanterweise selbst dann, wenn sie über gar keine Aktien verfügen.

Von weiteren Zinssenkungen sollte die EZB aber von nun an bis in Ewigkeit die Finger lassen, insbesondere von noch negativeren Einlagezinsen. Erstens würde sie ansonsten das zinsseitige Brot- und Buttergeschäft der Banken endgültig zu einer Nulldiät machen, die sogar zu ihrem Hungertod führen kann. Und zweitens, was nutzt das viele, mindestens kostenlose Geld, wenn es nicht seinen Weg in die Konjunktur findet? Autos, Möbel, Fernseher oder Kühlschränke kann die EZB nicht aufkaufen. Hier versagt die Allmacht der EZB.

Hier ist jetzt die andere Seite gefragt, die Finanz- und Wirtschaftspolitik.

Der liebe Gott hat soziale Kompetenz nicht an alle Politiker verschenkt

Natürlich muss man das Virus ernst nehmen. Im Vergleich zu China haben Europa und Deutschland den Höhepunkt der Epidemie mit all seinen Folgen noch nicht erreicht, geschweige denn hinter sich. Jedoch ist die Angst vor dem Corona-Virus gefährlicher als das Virus selbst. Es droht Panik, im schlimmsten Fall eine Massenpsychose. Politische Klasse zeigt sich grundsätzlich in Krisen. Und dafür bietet sich jetzt eine gute Gelegenheit.

Zunächst müssen Politiker permanent da sein, sichtbar sein. Sie müssen der Verunsicherung mit Emotion und Einfühlungsvermögen entgegentreten. Je mehr man den Dreck mengt, umso mehr stinkt er: Dem von Social Media hochgekochten Thriller muss von der Politik der nüchterne Dokumentationsfilm entgegengesetzt werden. Ich erinnere mich an Kanzler Schröder, der 2002 bei der Jahrhundertflut in Sachsen die Gummistiefel angezogen hat oder an Kanzlerin Merkel und Finanzminister Steinbrück, die angesichts der Finanzkrise den Sparern im Oktober 2008 versprachen, dass ihre Spareinlagen sicher sind. Jetzt muss die politische Elite den Bürgern klarmachen, dass die Befriedigung der menschlichen Grundbedürfnisse gewährleistet ist. Appelle zum Händewaschen allein reichen nicht aus.

Das Karotten-Prinzip anwenden  

Es ist sehr gut, dass sich die Bundesregierung auf den schnelleren und längeren Bezug von Kurzarbeitergeld und Hilfen für virusbedingt in Schieflage geratene Unternehmen geeinigt hat.

Doch wenn das Virus droht, der Konjunktur anhaltende Schmerzen zu bereiten und sogar tiefe Wunden zu reißen, springen diese Maßnahmen viel zu kurz. Ist die Krise erst einmal angekommen, verlieren Gegenmaßnahmen schnell an Wirkung und zeigt das lange Zeit vergessene Thema Arbeitslosigkeit schnell wieder seine hässliche Fratze. Die Feuerwehr kommt ja auch nicht erst dann, wenn die Flammen bereits alles niedergebrannt haben.

Vorbeugen ist besser als heilen. Sinkt also die Stimmung bei Unternehmen und Arbeitnehmern und damit Konsumenten, muss man ihnen frühzeitig Geld in die Hand geben. Wenn nicht jetzt, wann will man dann die Steuern senken? Mit Blick auf unsere öffentlichen Finanzen können wir das. Mehr Geld in der Tasche und damit mehr Kaufkraft ist ein gutes Mittel zur Konsumstabilisierung. Psychologisch muss man sozusagen dem „Esel eine Karotte vor die Nase halten“, damit er wieder läuft.

Dazu gehören aber auch wirtschaftliche Perspektiven, die Ruhe in den aufgebrachten Karton bringen. In der Not sollte nicht nur der Teufel, sondern auch Politiker Fliegen fressen. D.h., jetzt in der Viruskrise wäre die Gelegenheit günstig, die Entrümpelung von Investitionshemmnissen und Bürokratie ideologielos zügig durch die politischen Gremien zu bringen. Jetzt muss mit Mut eine Investitionsoffensive angegangen werden, die die deutsche Infrastruktur auch zugunsten der um ihren Arbeitsplatz bangenden Beschäftigten in die industrielle Neuzeit führt.

Dagegen gehören die selbstgerechten Debatten über Deindustrialisierung und moralisch einwandfreie Steuererhöhungen von erregten Gutmenschen, die uns in depressive Stimmung bringen, in den Eimer für besonders schlimmen Sondermüll. Anders ausgedrückt: In der Politik sind wieder Vater- und Mutterfiguren mit gesundem (wirtschaftlichen) Menschenverstand gefragt, die auch einen medialen Shitstorm aushalten, ohne gleich umzufallen.

Der frühere Wirtschaftswunder-Minister Ludwig Erhard wusste, dass Psychologie in der Wirtschaft mindestens die halbe Miete ist. In Berlin sollte man seinen Namen häufiger googeln.