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Halvers
Kolumne

 
27.10.2021

Damit spielt man nicht: Sichere deutsche Energieversorgung zu vernünftigen Preisen

Ohne Strom nix los: Längerfristig werden E-Mobilität, klimaneutrale Industrieproduktion, Digitalisierung und Wasserstoffgewinnung ein Mehrfaches des heutigen Stroms verbrauchen. Seine jederzeitige Verfügbarkeit zu günstigen Preisen wird zu einem immer entscheidenderen Wettbewerbsfaktor. Ist Deutschland diesen Herausforderungen gewachsen?

Deutschland gehen die Energie-Alternativen aus

Die deutsche Politik wagt ein großes Experiment: Gleichzeitig steigt sie aus Atom- und Kohlestrom aus. Dabei ist die Kohle für knapp 40 Prozent der deutschen Stromversorgung verantwortlich, Atomstrom für gut 11 Prozent.

Aber wir haben ja noch die Alternative Gas. Doch wird auch dieser fossile Energieträger kritisch betrachtet. Einige in der Ampelkoalition würden der Gaspipeline Nord Stream 2 am liebsten heute noch die Betriebserlaubnis verweigern. Abgesehen davon sitzt Wladimir Putin am längeren Hebel. Und dass wir von Russland abhängig sind, hat Väterchen Frost zuletzt tatsächlich bewiesen.  

Aber wir haben ja noch Windparks. In der Bevölkerung ist die Zustimmung groß. Aber wehe, es kommt zum Schwur, wenn hohe Windräder ihre Runden vor der eigenen Haustür drehen sollen. Dann sind Bürgerbewegungen nicht weit. Interessanterweise hinkt ausgerechnet das von einem grünen Ministerpräsidenten geführte Baden-Württemberg in puncto Windkraft hinterher.

Selbst wenn es sich um Windräder auf hoher See handelt, wie kommt der Windstrom vom Norden in den Süden? Laut Bundesnetzagentur müssten dafür Starkstromtrassen über knapp 1.700 km quer durch Deutschland gebaut werden. Aber Elektrosmog will auch niemand in seiner Nähe haben. Ohne Beteiligung der Bürger wird es nicht gehen und das dauert, dauert und dauert.

Solaranlagen auf möglichst vielen deutschen Dächern anzubringen, ist da im Vergleich eindeutig einfacher, zumal sie demnächst noch stärker staatlich begünstigt werden. Doch wer zahlt die Förderung? Da Steuererhöhungen laut Sondierungspapier der Ampelkoalitionäre nicht in Frage kommen, drohen noch höhere CO2-Abgaben. Und dabei sind wir jetzt schon Weltmeister bei den Stromkosten. Das wird vor allem der einkommensschwachen Bevölkerung zusetzen, die bereits unter der hohen Inflation leidet.   

Übrigens, da in unserer schönen neuen virtuellen Welt Stromkosten die neuen Arbeitskosten sind, wirken zu hohe Preise auf die Investitionsfreude von Unternehmen in Deutschland wie trockengelegte Tümpel auf die Laune von Fröschen.

Am deutschen Umwelt-Wesen wird die Klima-Welt nicht genesen

Selbst wenn Deutschland in dieser Sekunde jede weitere CO2-Emission unterließe, wäre dem Weltklima nicht geholfen. Wir sind nur für weniger als zwei Prozent verantwortlich. Wenn man sich allein anschaut, wie viele Kohlemeiler in Indien und China geplant sind, fällt unser Anti-CO2-Engagement nicht auf, im Gegenteil.

Überhaupt ist die Industriewelt ein Haifischbecken. Wenn sich der deutsche Wirtschaftsstandort mit Klimaauflagen weiter verteuert, werden das andere Länder mit weniger Umweltengagement hemmungslos ausnutzen. Werden unsere Industrieanlagen und unsere Arbeitsplätze in andere Länder exportiert und pusten diese dann im Vergleich noch mehr Dreck in die Luft, verlieren beide, Deutschland und das Weltklima.

Auf rein ideologische Weise werden wir die Welt nicht zu ihrem Klima-Glück zwingen. Und die auf Klimakonferenzen verabredeten Ziele zum verringerten Treibhausgas-Ausstoß werden leider viel zu gering umgesetzt.   

Anders sieht es aus, wenn Deutschland der Welt pragmatisch beweist, dass man aus dem klimagerechten Umbau der Wirtschaft auch neuen Wohlstand ziehen kann. Es gibt genügend deutsche Ingenieurskunst in Klimafragen und es gibt genügend deutsche Firmen, die bei Klimaschutz und alternativen Energien Spitze sind. Was sie brauchen, ist allerdings viel wirtschafts- und finanzpolitischen Nährboden. Die überbordende Bürokratie bei Genehmigungsverfahren muss wie Müll entsorgt werden. Sinnvoll wäre auch ein Staatsfonds, der sich dem Thema konsequent annimmt. Nicht zuletzt könnten sich daran die Bundesbürger auch im Sinne der Altersvorsorge beteiligen.     

Wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint    

Was machen wir eigentlich, wenn trotz millionenfacher Windräder und Solaranlagen der Wind nicht weht und die Sonne vor allem in der dunklen Jahreszeit streikt? Denn es fehlt an Speichermöglichkeiten. Wie sichern wir aber dann die deutsche Grundlast?

Was ist z.B. an Heiligabend, wenn Backöfen Hochleistungen erbringen und die Stromzähler schneller laufen als Usain Bolt in seinen besten Zeiten? Käme es zu einem Blackout, spielte Deutschland „Stille Nacht, heilige Nacht“ wie damals in Bethlehems Stall nach: Dunkel, kalt und hungrig. Und wären die energieintensiven Chemie- und Stahlbranchen mit Stromabschaltungen konfrontiert, würde sich der deutsche Wirtschaftsstandort bis auf die Knochen blamieren.

Was ist riskanter: Der Klimawandel oder die Kernkraft?

So weit wird es wohl nicht kommen. Diese Schmach wird sich keine deutsche Regierung antun. Käme es hart auf hart, wird Strom aus Frankreich oder aus Tschechien - wohlgemerkt Atomstrom - oder aus Polen Kohlestrom importiert. Das merkt ja niemand, da der Strom aus der Steckdose kommt, stumm ist und keine Sprache spricht. Das wäre scheinheilig: Offiziell Klima-heilig tun, inoffiziell sich aber Klima-sündig verhalten.

In der Tat setzt man nicht nur in Frankreich, auch in den USA, Russland, Indien, China, Japan oder Großbritannien konsequent auf Atomstrom. Ansonsten sei die Stromversorgung zu wettbewerbsfähigen Kosten und damit Wirtschaftswachstum nicht zu garantieren. Mittlerweile sind sogar in der EU die Atombefürworter in der Überzahl. Kernkraft wird als nachhaltig eingestuft.

Zur Erreichung der Klimaziele öffnet sich auch der Weltklimarat wieder mehr für Atomstrom. Auch die UNO lässt kurz vor dem Start der Klimakonferenz in Glasgow die Alarmglocken läuten: Die Welt müsse ihre Bemühungen zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels versiebenfachen. Mit den aktuellen nationalen Klimaschutz-Plänen lasse sich der Treibhausgas-Ausstoß bis 2030 nur um 7,5 Prozent mindern. Um die Erderwärmung - wie im Pariser Klimaabkommen vereinbart - auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen, sei jedoch eine Verringerung um 55 Prozent notwendig.  

Keine Frage, AKWs sind nicht ohne Risiko. Aber wenn Deutschland die sichersten Atomkraftwerke der Welt hat, warum werden unsere dann als erste abgeschaltet, wenn man von wahlpopulistischen Gründen absieht? Und wären moderne deutsche Mini-Reaktoren nicht noch sicherer? Leider sind wir dabei, unser Know-How in der Atomenergie zu verspielen. Am Ende könnten wir die größten Abnehmer französischer Kernkraft werden. Was für eine energiepolitische Heuchelei!  

Die deutsche Politik steht vor großen Herausforderungen: Energiesicherheit zu vertretbaren Preisen zu gewährleisten und dennoch dem Klimaschutz zum Erfolg zu verhelfen. Zur Bewältigung dieses Dilemmas darf es keine ideologischen Denkverbote geben. Alle Argumente gehören ungefiltert auf den Tisch. Dabei müssen selbst Reizthemen pragmatisch ausdiskutiert werden.

Liebe Ampelkoalitionäre, es ist Zeit für einen Reality Check der deutschen Energiepolitik.