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Halvers
Kolumne

 
31.05.2023

Das US-Schuldenproblem wird „amerikanisch“ gelöst

Scheinbar hat Amerika sein Schuldenproblem gelöst. Demokraten und Republikaner haben die Staatspleite abgewendet. Dennoch, bei Betrachtung der dramatischen und immer weiterwachsenden Staatsverschuldung stellt sich die naheliegende Frage, ob und wie Amerika längerfristig dem Fiskal-Armageddon entgehen kann.

Washington wird nicht zur City of Fools and Nuts

Die USA konnten sich in letzter Sekunde im Fiskalstreit einigen. Die Politiker in Washington hätten sich bis auf die Knochen blamiert, wenn man das eigene Land vom Sockel gestoßen hätte.

U.a. wird das Schuldenlimit bis Januar 2025 ausgesetzt, so dass politische Grabenkämpfe im Vorfeld der Präsidentenwahl am 5. November 2024 ausbleiben. Die Finanzmärkte wären ansonsten in arge Bedrängnis geraten, vor allem, wenn der republikanische Kandidat Donald Trump heißen würde.

Mit dem Schulden-Kompromiss ist außer Zeit nichts gewonnen

Grundsätzlich wird der aber gefundene Fiskalkompromiss das US-Schuldenproblem nicht ein Jota lösen. So bezieht sich die aktuelle Schuldeneinigung nur auf ca. ein Drittel des Staatshaushalts. Die u.a. wegen Inflation steigenden Fixkosten wie Sozialversicherung, Medicare und Schuldzinsen sind nicht betroffen. Dann gibt es da noch den Verteidigungsetat, der 2023 schon nach fünf Jahresmonaten fast 800 Mrd. beträgt. Und von Pazifismus wird in den USA seit flower power nicht mehr gesprochen.

Und so kommen immer mehr neue Schulden auf den Bestand hinzu. Und der hat es bereits in sich. Allein in den letzten 10 Jahren wurden mehr Schulden angehäuft als zwischen der Staatsgründung 1776 und 2003.

2023 werden die USA keine Mühe haben, ca. 1,6 Bill. US-Dollar neue Schulden anzuhäufen. Ein Defizit von ca. sechs Prozent zur Wirtschaftsleistung? Nichts ist unmöglich, würde man bei Toyota sagen!

Mittlerweile geht die amerikanische Verschuldung in die Exponentialfunktion über.

Wie würde Amerika unter normalen Bedingungen fiskalpolitisch gesunden?

Und diese katastrophale Überschuldung führt als negativer Beigeschmack zu chronischer Inflation, steigenden Kreditkosten und kastriert auch noch Wohlstandspotenziale. Denn nach Zinszahlungen stehen den USA schon bis Ende Mai 575 Mrd. nicht mehr für Wohlstands fördernde Investitionen zur Verfügung.

Geeignete Gegenmaßnahmen wären dramatische Ausgabenkürzungen und massive Steuereinnahmen. Staatliche Ausgaben dürften primär nur der Steigerung von Produktivität und Wachstum zugutekommen. Damit würde dann auch die staatliche Übernachfrage eingedämmt, was Preis- und Zinsauftrieb milderte.

Allerdings sprechen wir hier von einer gewaltigen Rosskur. So errechnen US-Ökonomen, die wissenschaftlich rational und nicht politisch emotional argumentieren, dass Amerika seine fiskalische Ordnung wiederherstellen könnte, wenn die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung von derzeit weit über 100 auf 70 Prozent gedrückt würden. Dieses Ziel wäre erreichbar, wenn über 30 Jahre lang die US-Staatsausgaben um fünf Prozent gesenkt und die Steuern um zwei Prozent erhöht würden.

Der US-Politik fehlt zwar das Stabilitäts-Gen, doch wird der Gen-Defekt toleriert

Wer glaubt daran, dass sich US-Politik dafür jemals öffnet? Dieses Unterfangen ist ähnlich schwer wie Abnehmen. Der Geist mag willig sein, aber das Fleisch ist schwach. An Regierungsmacht interessierte Politiker werden ihren fellow citizens diese Tortur kaum antun. Reformen führen längerfristig zwar zu Erfolgen, tun aber in der Zwischenzeit richtig weh. Und bei jeder neuen Krise wird jeder politische Homo Oeconomicus das Land mit Staatsausgaben retten wollen: Wollen wir Amerikaner z.B. zulassen, dass uns der Konkurrent China näherkommt? Wir müssen alles dafür tun, dass die USA eine führende Rolle im Klimaschutz und vor allem in der KI erlangen, damit Peking diese technologische Waffe nicht zur Erlangung der Weltherrschaft einsetzt. Wer wollte diesen „edlen“ Motiven widersprechen? 

Populismus und staatliche Wahlgeschenke gehören zu Politikern wie die Bulette zum Hamburger. Überhaupt, selbst das im Vergleich zu uns eher sozial kalte Amerika hat seine Bürger in den letzten Jahren an die Freuden eines freigiebigen Staates gewöhnt. Welcher an (Wieder-)Wahl interessierte Politiker wird süßes Zucker- gegen hartes Schwarzbrot austauschen wollen?  

Nein, nein, nein, die USA werden nicht vom Fiskal-Saulus zum -Paulus werden. Dennoch müssen sie ihre Schuldenprobleme irgendwie lösen. Sie werden es nach alter Väter Sitte machen. Zunächst werden sie bei der Finanzierung ihrer Verschuldung weiterhin auf die zinsfreundliche Unterstützung der Fed setzen. Daneben hilft eine aufgehübschte Inflation. Tatsächlich muss man annehmen, dass die für die Messung der Preissteigerung Verantwortlichen mit Nachnahmen Pinocchio heißen. Insgesamt lassen sich so schöne negative Realzinsen erzielen, die das Schuldenproblem verniedlichen.

Und natürlich werden die USA ihre Rentenpapiere weiter gerne im Ausland abladen. Das Ausland weiß zwar um die Qualität dieser bunten Massenware. Und sicherlich mögen viele Länder Amerika wie Bauschmerzen. Aber wenn man harte Ware in die USA nur gegen billiges Papier verkaufen kann, zahlt man eben diesen Preis und gibt Uncle Sam insofern Kredit. Ohnehin hat man mit der Weltleitwährung unbegrenzten Dispo. 

Warum sollte sich Amerika diesen Vorteil mit einer Staatspleite jemals kaputtmachen?