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Halvers
Kolumne

 
17.11.2021

Eine neue innovative Sozialpolitik muss her: Volks-Kapitalismus

Das globale Nettovermögen hat sich seit 2000 auf über 500 Bio. US-Dollar verdreifacht. Ca. 75 Prozent dieser Vermögenspreisinflation gehen auf den zinsseitigen Anlagenotstand zurück, der die Immobilien- und Aktienpreise wie Unkraut sprießen ließ. Und der Inflationsdruck gab diesen Sachkapitalanlagen noch mehr Auftrieb. Längst sind die Umverteilungspropheten unterwegs, die diesen Wohlstand unter das Volk bringen wollen. Dabei gäbe es eine viel sinnvollere Sozial- bzw. Altersvorsorgepolitik.

Niemand hat etwas gegen Steuern und Abgaben zur Finanzierung eines funktionierenden Sozialstaats als wesentlichem Bestandteil einer humanen Gesellschaft.

Doch verlangt Deutschland seinen Bürgern und Unternehmen schon heute mit die höchsten Steuersätze weltweit ab und zahlt mittlerweile Sozialleistungen von über einer Bio. Euro jährlich. Dennoch sprechen geneigte Kreise immer noch von Raubtierkapitalismus. Welcher Begriff passt dann erst für Großbritannien oder die USA? Will man noch mehr Unternehmen samt Jobs aus Deutschland verjagen? Will man den Bürgern noch mehr finanzpolitische Repression antun? Ist das sozial?

Ich verstehe auch nicht diejenigen, die förmlich darum bitten, höher besteuert zu werden. Was hält sie davon ab, alternativ gemeinnützige Stiftungen zu gründen oder einfach großzügig und regelmäßig zu spenden?

Warum wird Sozialpolitik nicht innovativer gestaltet? Wann entschärft man eine besonders große tickende Zeitbombe, die Altersarmut? Diese droht, weite Bevölkerungsteile ins finanzielle Unglück zu stürzen. Und dabei geht es nicht nur um die gesetzliche Rente, die mit Blick auf Demographie und Finanzmathematik immer mehr zu einer besseren Armenspeisung wird.

Es geht vor allem um die anhaltende Zins-Magerkost. Bisher schaute die Politik einfach nur zu, wie wir uns arm sparen. Das ist Beihilfe zur Altersarmut. Denn immer noch fußen 70 Prozent der Bevölkerung ihre Altersvorsorge auf Zinspapieren.

Attraktive Zinsen wird es nicht mehr geben (können)

Die Damen und Herren Notenbanker müssen weiter auf Vollkaskoversicherung setzen. Sie werden die Schuldenblase - die größte Anlageblase aller Zeiten - über klare Liquiditätsverknappungen und Zinserhöhungen nicht platzen lassen. Schon die Immobilienblase 2008 hatte unser Finanzsystem an die Klippe geführt. Platzte die Schuldenblase, käme es zum freien Fall und einem auch sozialpolitisch harten Aufprall.  

Und während Europa seine museumsreife Infrastruktur in die Neuzeit überführen und seinen Seelenfrieden zinsgünstig finanzieren muss, ist in Amerika immer mehr Verschuldungs-Doping nötig, um die Wirtschaft noch irgendwie zu berauschen. Nicht zuletzt werden Klimaschutz und geostrategische Stärke geldpolitisch bezahlt. Dazu reicht die Finanzkraft der Staaten nicht mehr aus.

Big Government braucht auch einen Big Spender

Grundsätzlich sind die Notenbanken heutzutage gemäß Modern Monetary Theory politisiert, zu willfährigen Erfüllungsgehilfen der Regierungen geworden. Und die achten pingelig darauf, bloß keine Zins-Falken an die geldpolitischen Schalthebel zu lassen. Insofern droht, dass auch Jens Weidmann durch eine Taube ersetzt wird.

Und so wehren sich US-Notenbank und EZB gegen harte restriktive Maßnahmen wie Kinder gegen das Aufräumen ihrer Zimmer. Um dennoch den stabilitätspolitischen Heiligenschein leuchten zu lassen, wird gebetsmühlenartig die Geschichte von der nur vorübergehenden Inflation erzählt. Kürzlich hat EZB-Chefin Lagarde erneut bekräftigt, dass die Inflation mittelfristig wieder unter dem Zielwert von zwei Prozent liegen wird. Das ist kein Wink mit dem Zaunpfahl, das ist klarster Klartext: Der akute Inflationsdruck wird ignoriert. Die tatsächlich höhere Preisentwicklung wird sowieso als Dreck unter den Teppich der EZB gekehrt. Stabilitätspolitisch sechs. Warum sechs? Weil es keine sieben gibt.

Insgesamt, wenn Zinssparen auch zukünftig nicht nur keine Rendite erbringt, sondern nach Inflation sogar zum Groschengrab wird, ist die zinsseitige Altersarmut nicht aufzuhalten. Gleichzeitig spricht dies für eine fortgesetzte Vermögenspreisinflation in inflationsgeschütztem Sachkapital wie Aktien und Immobilien.  

Wohlstand für alle

Statt sich jetzt - vielfach auch sozialneidisch - zu beschweren, dass die Reichen über Aktien und Immobilien noch reicher werden, sollte man möglichst viele Bürger an dieser Wohlstandsmehrung „volkskapitalistisch“ beteiligen. Es ist doch viel besser, sie zu Aktionären und Immobilienbesitzern zu machen, als sie später zum Sozialamt zu schicken oder Pfandflaschen sammeln zu lassen. Demokratie wird ja auch an der Wohlstandsfront verteidigt.

Das schreit förmlich nach staatlich geförderten, regelmäßigen Aktiensparplänen. Die Leute müssen raus aus ihrer dunklen Zins-Ecke.

Tatsächlich sind die Megathemen auch abseits des zinsseitigen Anlagenotstands überzeugend. So bringen Dividendenausschüttungen bei Wiederanlage die entgangenen Freuden des Zinseszinseffektes alternativ zurück. Daneben profitieren zyklische Aktien von der anstehenden Konjunkturerholung 2022. Und Digitalisierung, High-Tech und Klimaschutz sind ohnehin zeitlose Geschäftsmodelle.

Beim Immobilienerwerb sollte man den bürokratischen und teuren Hemmnissen die Hälse abschneiden. U.a. müssen staatliche Kosten wie Grunderwerbsteuern kräftig sinken. Übrigens, wer etwas besitzt, zeigt sich finanziell disziplinierter. Man hat ja was zu verlieren.

Dagegen erreicht man mit einem nicht-sozialen, anlagepolitischen „Weiter so“ ähnlich wenig wie mit Globuli gegen Armbrüche. 

All das sollte den Politikerinnen und Politikern, die sich uns gegenüber doch gerne als Muttis und Vatis verkaufen, einiges wert sein.

Dieser „Volks-Kapitalismus“ ist eine wirklich gerechte Sozialpolitik. Also weg mit den ideologischen Scheuklappen. Schweden hat es vorgemacht.