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Halvers
Kolumne

 
31.01.2018

Während Amerika knallharte Standortpolitik betreibt, gewinnt Europa moralische Schönheitspreise

Im medialen Dauerfeuer über Trumps Türsteher ähnliches Verhalten geht verloren, dass sich Amerika immer mehr zu einem hochattraktiven Wirtschaftsstandort entwickelt. Neben seiner bereits bekannten Innovations- und Digitalisierungsfreundlichkeit sorgt die Unternehmenssteuerreform dafür, dass aus einem Hochsteuer- ein Niedrigsteuerland wird. US-Konzerne werden mehr im Vaterland investieren, auch indem sie Auslandsvermögen in die Heimat zurückbringen. Steuersenkungen sind die am schnellsten wirkende volkswirtschaftliche Droge.    

Der internationale Wettkampf über den besten Standort ist eröffnet

Wenn einem in Amerika so viel Schönes wird beschert, das sind auch deutsche Investitionen wert. Haben Sie gesehen, wer beim amerikanischen Wirtschaftsdinner im Rahmen des Weltwirtschaftsforums in Davos links neben Trump saß? Es war nicht ein üblicher Verdächtiger, ein amerikanischer Vorstandschef eines US-Weltkonzerns. Er hatte zwar einen amerikanischen Spitznamen, aber es war Joe Kaeser, Vorstandschef der Siemens AG, der auch noch frei von der Leber weg sagte: „ Weil Sie - d.h. Trump - so erfolgreich mit der Steuerreform waren, haben wir entschieden, die nächste Generation von Gasturbinen in den Vereinigten Staaten zu entwickeln.“ Das anschließende Grinsen Trumps entsprach dem eines  Fuchses, dem die Tür zum Hühnerstall geöffnet wurde.

Der Sitzplatz von Herrn Kaeser direkt neben Godfather Trump war kein Zufall. Der US-Präsident wollte allen Unternehmen der Welt seine Interpretation des Matthäus-Evangeliums nahe bringen: Kommet her zu mir, die ihr mühselig und beladen seid durch ausländische, hochbesteuerte und reformunfreundliche Standorte. Ich will Euch erquicken.

Und was dem deutschen Industriegiganten Siemens recht ist, wird ebenso für andere deutsche Industriefirmen - auch aus dem patent- und innovationsstarken Mittelstand - billig sein. Auch für sie gibt es bei der Standortwahl keine nationale Gefühlsduselei, sondern nur die schnöde Suche nach den weltweit höchsten Renditen. Und leider werden sie in Amerika fündig. Auf den deutschen Industriestandort, der sich seit der Agenda 2010 reformseitig wie eine Schnecke am Krückstock bewegt, ist man nicht angewiesen.

Überhaupt, mit Investitionen in Amerika erkaufen sich europäische Unternehmen die Trumpsche Absolution. Sie schaffen dort ja nicht nur Jobs - und nicht bei uns - sondern gewähren den USA obendrein Zugang zu deutschem Industrie-Sexappeal. Und warum sollte Trump diesen „Greencard-Unternehmen“ Schmerzen zufügen? Hallo, er hat eine knallharte Unternehmerseele!

Der US-Dollar macht auf Softie

Zur Aufwertung des US-Standorts gehört aber auch ein Paradigmenwechsel in der amerikanischen Währungspolitik. Ich kann mich nicht erinnern, dass jemals ein US-Finanzminister wie jetzt Herr Mnuchin in Davos die Segnungen eines schwachen US-Dollars hervorhob. Kein Wunder, denn aus Uncle Sam dem Käufer wird der Verkäufer. Man braucht keinen teuren Dollar mehr zum billigen Im-, sondern einen schwachen zum lukrativen Export.

Bei dieser Exportförderung lässt sich auch die US-Geldpolitik nicht lumpen. Dollar-Aufwertung über wirklich hohe Leitzinsen und Renditen will man verhindern. Tatsächlich, mit Jerome Powell hat Trump keinen streng stabilitätsgläubigen Bundesbanker als Nachfolger von Frau Yellen bestellt. Als ehemaliger Investmentbanker hält er von scharfen geldpolitischen Restriktionen ebenso wenig wie Angela Merkel von einem gemeinsamen Urlaub mit Donald Trump.

Übrigens, wie will man denn ansonsten Amerikas Verschuldung stemmen -  die sich unter Berücksichtigung der US-Steuerreform jedes Jahr um eine weitere Billion erhöht - wenn nicht mit Mutter Theresa, mit der Fed? Käme es tatsächlich zum Schwur, zu stark ansteigenden Anleiherenditen, wird die US-Notenbank bei Anleihen wieder zugreifen wie Kinder bei Schokolade. Übrigens, die auch in diesem Jahr stattfindenden Leitzinserhöhungen der Fed halte ich für einen billigen geldpolitischen Trick. Denn sie laufen der Inflation hinterher, ohne sie einfangen zu wollen: Zu Beginn der Zinserhöhungsphase in den USA waren die Notenbankzinsen real, also nach der Preissteigerung, höher als aktuell. 

Amerika macht für Europa nicht mehr die wirtschaftliche Drecksarbeit

Mit diesem amerikanischen Wirtschaftswunder gerät die deutsche und europäische Komfortzone in Bedrängnis. Die USA werden nicht mehr wie früher die Weltwirtschaftserholung betreiben, die dann auch in Europa über Exporte in die USA einen Konjunkturaufschwung einleitet. Den Wirtschaftskuchen will Amerika allein genießen. Dahinter steckt auch, dass der amerikanische Hahn seine Lust am europäischen Hühnerhaufen verloren hat. Geostrategisch ist der pazifische Raum von viel größerer Bedeutung.

Was nun, Europa? Als Lösung will der französische Sonnenkönig die Europäische Transferunion einführen. Mit einem stark durch Deutschland finanzierten Gießkannenprinzip sollen blühende Landschaften herbeigezaubert werden. Ich bin schon sehr erstaunt, wie viele Politiker auch bei uns dieser fixen Idee hinterherlaufen wie Mäuse dem Käse. Wie soll etwas wirtschaftlich nachhaltig gedeihen, wenn der konjunkturelle Boden durch viel zu wenig Reformdünger unfruchtbar ist? Damit ist der Wettstreit über den besten Wirtschaftsstandort, den Amerika brutal führt, nicht zu gewinnen. Am Ende stehen Steuererhöhungen, Investitionsarmut und mangelndes Wirtschaftswachstum, was den eigenen Standort über die Erhöhung volkswirtschaftlicher Fixkosten noch weiter verschlechtern.

Anstatt soziale Ungleichheit zu beklagen, sollte man sie mit wirtschaftlichen Perspektiven verhindern

Ich verkenne nicht, dass es Deutschland aktuell wirtschaftlich gut geht. Aber die Kunst der Wirtschaftspolitik besteht darin, dass dies auch morgen und übermorgen noch der Fall ist. Wenn die deutsche Volkswirtschaft bei Megathemen wie Digitalisierung und Infrastrukturerneuerung nicht mitmischt, wird sie weggewischt. Das Hurra-Argument, dass die Auslastungsgrade der deutschen Industrie am Anschlag sind, lasse ich nicht gelten. In Deutschland wird zu wenig investiert. So wird ein Schuh daraus.

Selbst eine zukünftig schwache, kleine Große Koalition, die sich leider wenig trauen wird, sollte dennoch wissen, dass das wirtschaftliche Überleben morgen nicht weniger wichtig ist als soziale Gerechtigkeit heute. Ich bin kein kalter Christ. Aber soziale Gerechtigkeit ist dann am besten gewährleistet, wenn sie auf Grundlage einer robusten Wirtschaft, Arbeitsplätzen, Konsum und Steuereinnahmen fußt. Bevor das Fell des Bären verteilt wird, muss er erlegt werden. Gewisse „naturgesetzliche“ Wirtschaftsfakten können auch viel zu viel süße Moralsoße vergießende politische Gesundbeter nicht ignorieren. Jeder Betreiber einer Knackwurstbude hat mehr Wirtschaftssachverstand als so mancher Wirtschaftspolitiker. 

In einer wettbewerbsstarken Welt ist mit politischer Korrektheit noch kein Job außerhalb von öffentlichen Institutionen geschaffen worden.