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Halvers
Kolumne

 
07.02.2018

In guten, aber auch in schlechten Zeiten oder die Hassliebe zwischen Renten und Aktien

Renten- und Aktienmärkte hängen zusammen wie Pech und Schwefel. Was die einen tun, lässt die anderen nicht kalt. Diese Beziehung konnte vor allem seit 2008 mustergültig beobachtet werden: Steigende Anleihekurse mit schwachen Zinsen, die anlagestrategisch fast schon an Körperverletzung grenzten, haben Aktien zu einer „alternativlosen“ Anlage gemacht. Die Blase bei Renten hat die Blase bei Aktien aufgepumpt. Wir haben es also mit doppelten Anlageblasen, mit dem doppelten Lottchen  zu tun.  

Doch verliert der finanzwirtschaftliche Mainstream offenbar den Glauben an die Rentenhausse. Die klare Zinswende scheint so unausweichlich wie ein ordentlicher Kater nach durchzechter Nacht. Es passt ja auch alles so schön zusammen. Die Weltkonjunktur läuft so gut wie seit sieben Jahren nicht mehr, die Schwellenländer haben sich gut erholt, Trump hat mit seiner Steuerreform den Turbo in der US-Wirtschaft und beim Lohnkostendruck gezündet und selbst das lange krisengeschwächte Europa kann sich nicht mehr vor Wirtschaftswachstum retten.  

Da ist eine scharfe Inflation doch nur noch eine Frage der Zeit, oder? Bislang hatte der Rentenmarkt verbesserte Konjunkturdaten stiefmütterlich vernachlässigt, wenn nicht sogar ignoriert. Doch neuerdings lässt er sich von ihnen ähnlich beeindrucken wie ein Boxer von einem Leberhaken. Selbst Hund, Katze und Maus scheinen der festen Überzeugung zu sein, dass der Anleihemarkt vom Bullen- in den Bärenmarkt gewechselt ist und aufgrund seiner Leithammelfunktion auch die Zinsstimmung in Europa und Deutschland kippt.

Bekommt die Rentenblase einen Platten, geht auch dem Aktienmarkt die Luft aus

Überhaupt, hat nicht alles einmal ein Ende? Der Renditerückgang von Anleihen, die Rentenhausse läuft schon seit 1981! Es ist die längste Hausse aller Zeiten.

Was der Rentenmarkt aufbläht, kann er auch wieder entblähen. Platzt die Rentenblase, rasieren steigende Renditen die Überbewertungen von Aktien und lassen über Kreditverteuerungen auch den fruchtbaren Nährboden für Unternehmen veröden. Geht die Zinswende sogar in die permanente Verlängerung wie z.B. bei GroKo-Verhandlungen, wird das, was die Aktienmärkte in den letzten Tagen erleben mussten, nur so etwas wie der Anfangsschmerz sein. Danach erlebt der Aktienmarkt das Schicksal eines alternden Boxers: Der letzte Kampf war einer zu viel.  

Wie berechtigt ist die Zinswende?

Aber ist ein Inflationsausgleich auf die Renditen überhaupt gerechtfertigt? Denn nach Dur machen die Rohstoffe - vor allem Öl - zuletzt wieder auf Moll. Und der Schock des kürzlichen Anstiegs des Lohnwachstums in den USA auf den höchsten Stand seit 2009 verliert bei näherer Betrachtung viel an preistreibender Schärfe. Höhere Löhne sind aus der gestiegenen Produktivität der Unternehmen gut bezahlbar und sprechen nicht für nennenswerten lohnseitigen Inflationsdruck.

Interessanterweise hält sich selbst die US-Notenbank in puncto Inflation sehr bedeckt. Die Preissteigerung solle sich mittelfristig nur um ihren Zielwert von zwei Prozent bewegen. Kann man da zwischen den Zeilen eine gewisse Besorgnis über die ausbleibende Inflation trotz langjähriger geldpolitischer Happy Hour und weltkonjunkturellem Wiederaufstieg lesen? Yes, we can! Früher wurde Inflation von Notenbanken bekämpft, heute wird sie herbeigesehnt wie die Oase von der Karawane.

Tatsächlich kann aus etwas Inflation schnell wieder ein bisschen Deflation werden. Dabei spielt auch die Bedrohung der Wirtschaft durch schlechte Aktienstimmung eine bedeutende Rolle. Wenn Zinsen steigen und damit Aktien fallen, kann sich ein nachgebender Vermögenseffekt verheerend auf die amerikanische Verbraucherstimmung und damit die US-Binnenwirtschaft auswirken, siehe 2008/2009.

Da ist auch für die Fed Vorsicht die Mutter der Porzellankiste. Jede deflationierende Erschütterung seitens einer restriktiven Geldpolitik soll vermieden werden. 

Und dann gibt es da noch das Systemrisiko

Die US-Notenbank ist sich sehr bewusst, dass am Rentenmarkt die größte Anlageblase der Welt besteht. Sie kann kein Interesse an übertriebenen Zinserhöhungen oder massiven Liquiditätsabzügen haben, die weltweit zu Platzangst in den Rentenblasen und damit einer Monster-Schuldenkrise führte. Diesen Thriller-reifen Showdown will niemand. Ohnehin möge man mir erläutern, wie die Quadratur des Kreises, die Finanzierung der Gesamtweltverschuldung von etwa 250 Billionen US-Dollar mit höheren Kreditzinsen ohne Steuererhöhungen und ohne Sozialkürzungen geschafft werden soll. Jeder (Geld-)Politiker ist dankbar für das nach der Immobilienkrise wieder erreichte Niveau an Finanz- und politischer Stabilität. Diese Happy Hour nach der Euro-Krise werden natürlich auch die hohen Priester der EZB nicht aufs Spiel setzen. Das Schlimmste für Politiker ist unkontrollierbare Unruhe auf der Straße. Die internationalen Notenbanken haben nicht 10 Jahre lang das Weltfinanzgebäude stabilisiert, um es dann im 11. Jahr wie Elefanten mit dicken Zinserhöhungs-Hintern einzureißen. Ein Zurück zum alten geldpolitischen Stabilitäts-Biedermeier ist nicht mehr möglich. Daher müssen auch viele alte volkswirtschaftliche Weisheiten aus dem Elfenbeinturm überdacht und um realpolitische Einflüsse ergänzt werden.

Die große Entblähung der Rentenblase bleibt aus

Zur großen Zinswende kommt es nicht. Allerdings wird die Zinsangst, die über die Verbalerotik der Notenbanken verbreitet wird, an den Finanzmarkt-Schuhen kleben wie Kaugummi. Die Schwankungsbreite an den Rentenmärkten wird sich aufgrund ihrer Liebesbeziehung auch verstärkt in Volatilität bei Aktien zeigen. Aber ist das nicht das Wesen des Risikopapiers Aktie? Über zwischenzeitliche Kurseintrübungen sollte man sich nicht grämen. Ihnen kann man mit regelmäßigen Ansparplänen gut begegnen. Denn im günstigen Einkauf liegt auch bei Aktien der Gewinn.  

Insgesamt wird die Rentenblase nicht platzen. Und daher platzt auch nicht die am Aktienmarkt. Puff, Peng, Paff wird man an den Finanzmärkten nicht hören.